Die Verwandlung der Mary Ward - Roman
gewesen. Es gab tonnenweise Blumen.
Ich mußte mir für die Beerdigung einen Anzug kaufen, und ich besorgte mir auch eine schwarze Lederkrawatte an einem Gummiband. Bentwater trug Eidechsenstiefel, ich jedoch nur einfache Schuhe.
Der Pfarrer sprach davon, was für eine gute Frau Mrs. Riveaux zu ihren Lebzeiten gewesen war und daß sie und der Richter alle Lebewesen geliebt hätten, auch die Neger und die Armen und die größten Sünder. Es klang, als wäre sie ein weiblicher Jesus gewesen. Er sagte, der Hof der Riveaux sei ein Ort der Schönheit in einer verwüsteten Welt.
Bent stellte mich als seinen neuen Gesangspartner vor. Er wollte vor einer Trauergemeinde nicht davon sprechen, daß er mein Agent war. Er sagte, ich sei aus Liebe zum Lied den weiten Weg von Suffolk, England, gekommen.
Ich spielte Gitarre und Bent Mandoline. Wir begleiteten die Kirchenlieder. Die Trauergäste sangen so laut, als gehörten sie alle zur Heilsarmee.
Dann sangen und spielten wir zwei Songs, die Bent komponiert hatte und die Mrs. Riveaux’ Lieblingslieder gewesen waren. Wir hatten ein paar hübsche zweistimmige Passagen ausgearbeitet, und ich sah viele der Trauergäste weinen. Bents Lieder hießen Bird in the Sky und Down in My Yard There’s a Creek that Flows to Heaven .
Wir gingen nicht zur Beerdigung selbst. Diese war eine private Angelegenheit unter einer Magnolie. Doch bevor wir nach Hause zurückkehrten, kam der Richter und schüttelte uns die Hände. Er sagte: »Willkommen in Tennessee. Ich werde darum beten, daß Sie bei der von Ihnen gewählten Aufgabe Erfolg haben.« Ich dachte, daß der Ausdruck »Aufgabe« ein bißchen seltsam war, doch Du weißt ja sicher noch, daß hier viele Worte eine andere Bedeutung haben als bei uns.
Zum Zeitpunkt von Mrs. Riveaux’ Beerdigung war Walters Liederrepertoire für das Demoband fast vollständig. Er sparte soviel wie möglich von seinen Einnahmen für den Tag, an dem er und Bent Musiker anheuern und Studiozeit mietenwürden, um das Band zu schneiden. Dieser Tag lag wie ein Felsbrocken vor ihm. Er war in einer Höhle (einer recht angenehmen, in der es im Winter warm war), und dieser Felsbrocken lag vor dem Ausgang. Er paßte nicht genau, so daß man um ihn herum etwas Licht und das Wetter sehen und auch hören konnte, wenn es stürmte.
Er beschrieb Audrey Pike diesen Felsbrocken und sagte: »Ich habe ihn fast die ganze Zeit vor Augen.«
Sie meinte: »Ich wünschte nur, Walter, Sie würden Ihr Vertrauen nicht Bentwater Bliss schenken.«
Das mußte er mit einem Achselzucken abtun. Auch Pete Loomis hatte nur er getraut. Und Bentwater war sein Mentor und Berater geworden. Ohne ihn und all die Stunden, die er in seinem Wohnmobil verbracht hatte, hätte er vielleicht schon die Orientierung verloren und sich mit einem Leben, in dem er Blätter zusammenrechte, zufriedengegeben.
Und dann hatte Bentwater bei noch etwas anderem die Finger im Spiel, bei etwas, das an einem Freitag nachmittag seinen Anfang nahm. Danach hatte er den Felsbrocken nur noch manchmal vor Augen; die ganze übrige Zeit hatte er seine Augen woanders, blinzelte vor Freude und Verwirrung.
Sie waren im Ryman Auditorium hinter den Kulissen, zwischen den Seilen, Flaschenzügen und Sandsäcken zum Heben und Senken der Plakatwände, hinter den verschlissenen blau-goldenen Vorhängen.
Bentwater hatte an jenem Abend nur einen einzigen Auftritt in der Grand Ole Opry und war zur Probe da. Er erzählte Walter von den Anfängen des Ryman: »Das ist heiliger Boden, Walt. In mehr als einer Hinsicht. Früher einmal war das hier ein Gotteshaus, in dem reisende Evangelisten predigten. Jetzt ist es das Mekka der Country-music. Hier werden Stars gemacht: Roy Acuff, Loretta Lynn, Patsy Cline, Bill Monroe, Hank Snow, Hank Williams, Minnie Pearl, Johnny Cash... alle waren sie hier. Auch Elvis hat 1954 auf dieser Bühne gesungen. Die Temperatur steigt hier manchmal auf40 ºC an. Es ist heilige Luft. Spürst du das? Das jetzt sind die letzten Tage dieses Konzertsaals. Der ganze Laden zieht in einen neuen, das Opryland, um.«
Walter sah zu den Reklameschildern für Union 76 Gas, Goo-Goo Clusters und die National Life and Accident Insurance Company hinauf, dann wanderte sein Blick zu der Holzbestuhlung, die Kirchenbänken glich, und auf die Buntglasfenster darüber.
Er wollte gerade erwidern, daß er die heilige Luft ganz deutlich spüre, als ein dünnes Mädchen in knappem Pullover, kurzem Rock und hochhackigen Schuhen auf Bentwater
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