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Die Verwandlung der Mary Ward - Roman

Die Verwandlung der Mary Ward - Roman

Titel: Die Verwandlung der Mary Ward - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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tun sollen.
    Estelle war in Sekundenschnelle – so kam es ihr jedenfalls vor – betrunken. Sie spürte starken Brechreiz und ließ sich von Mary zum wartenden Wagen bringen. Sie sagte zu Mary:
    »Sie verbergen etwas. Sogar vor mir. Wahrscheinlich ist es im Keller.«
    Der Anblick ihrer Mutter verdarb Mary die gute Laune, in die sie Irenes Glück versetzt hatte. Sie hatte sich auf das Wiedersehen mit Estelle gefreut, doch als sie ihr dann gegenüberstand, wünschte sie, ihr nicht begegnet zu sein. Estelle hatte ein zu jugendliches und für den kalten Dezembertag zu dünnes Pünktchenkleid an. Mary hatte es noch nie gesehen. Es mußte einer der Frauen unter den Stalaktiten gehören. Diese hatte sicher zu ihr gesagt: »Du kannst doch nicht in deinem alten Rock zu einer Hochzeit gehen, Estelle. Du solltest lieber mein schönes Pünktchenkleid anziehen.«
    Als ihre Mutter weggefahren worden war, wollte Mary nicht wieder zur Festgesellschaft zurückkehren. Sie fand die Tür, die zum Keller führte. Dort unten war sie noch nie gewesen. Sie wußte, daß Harker da arbeitete und ihn seine Arbeit über die Grenzen Swaitheys hinaus berühmt gemacht hatte. Es war merkwürdig, sich Ruhm vorzustellen. Er schien etwas Flüchtiges zu sein, das seinen Ursprung in einem alten, dunklen Keller hatte.
    Mary machte die Lampenreihe mit den Pergamentschirmen an und blickte auf das, was deren gelbliches Licht enthüllte. Der Raum war so voller Maschinen, Werkzeug, Holz, Papier und Staub, daß gar kein Platz mehr für eine Tätigkeit darin zu sein schien. Es roch nach Leim, Harz und Leinöl, und zwar so stark, daß das Atmen merkwürdig war.
    Mary ging vorsichtig durch den Raum. Sie wollte gern wissen, ob ihre Mutter recht damit hatte, daß hier etwas verborgen wurde. Ihr kam es wie ein riesiges Durcheinander vor, wo es schwierig war, zwischen einem Ding zu unterscheiden, das absichtlich, und einem, das irrtümlich versteckt war. Man konnte nicht sagen, ob man das, was man sah, sehen durfteoder ob irgendeine Kleinigkeit im Gesichtsfeld eigentlich für einen unsichtbar sein sollte. Ostern wurden in der Schule für die Erstkläßler immer bunte Eier auf dem Schulhof versteckt. Der Hof war grau und die Eier bunt, so daß die Kinder sie ohne Schwierigkeit fanden. Hier aber war es anders. Hier war alles verschieden und doch auch irgendwie gleich. Man konnte einen versteckten Gegenstand in der Hand halten, ohne es zu wissen.
    Mary sah sich auf Harkers Werkbank um. Sie nahm einen Meißel in die Hand und war überrascht, wie schwer er war. An die Ziegelwand darüber war ein Messingschild geschraubt. Darauf stand: Schläger Harker. Gegr. 1947. Sie starrte darauf und lächelte. Es machte Harker in ihren Augen heroisch, stellte ihn auf eine Stufe mit Montgolfier und Galilei.
    Sie ging zu Harkers Schreibtisch hinüber, setzte sich auf seinen Hocker und knipste dort die Lampe an. Auf dem Tisch lagen Harkers Entwürfe. Da gab es Babykörbe, Wiegen und an einem Gestell aufgehängte Kinderbetten. Mary holte tief Luft und legte die Hand vor den Mund. Liebe Mutter, schrieb sie in Gedanken, ich habe das Geheimnis entdeckt. Du hattest ganz recht, es ist im Keller. Es ist ein Baby.
    Sie hörte, wie die Tür geöffnet wurde, und drehte sich um. Da stand Harker, die Nase leicht gerötet, das weiße Haar ein wenig zerzaust. Er sagte: »Ach, sieh da, Mary!«
    »Ich sollte eigentlich nicht hier sein, nicht wahr?«
    »Es ist kein Heiligtum, nur ein Arbeitsplatz. Ich hörte, daß jemand hinunterging.«
    »Ich habe die Kinderbetten gesehen.«
    »So! Hast du!«
    »Ich werde es niemandem erzählen.«
    Harker setzte sich auf einen Holzstuhl, den er erst halb repariert hatte. Als ihm der kritische Zustand des Stuhls bewußt wurde, stand er wieder auf. Er holte ein rotes Taschentuch heraus und putzte sich die Nase.
    »Ich verspreche es!« sagte Mary.
    »Laß mich mal einen Augenblick hinsetzen!«
    Sie machte ihm am Schreibtisch Platz, und er setzte sich dankbar hin. Er fühlte sich wie ein Läufer, der Luft schnappen mußte. Mary dachte, wie schrecklich es doch wäre, wenn er plötzlich unter dem Schild Gegr. 1947 sterben und Irenes ganzes Glück mit sich ins Grab nehmen würde.
    »Ich verspreche, daß ich es niemandem sage. Nicht einmal meiner Mutter.«
    »Das ist sehr rücksichtsvoll von dir«, erwiderte Harker, »doch nach dem heutigen Tag spielt es eigentlich keine große Rolle mehr. Bald werden es die Leute sowieso wissen.«
    »Die Kinderbettchen sind sehr

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