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Die Verwandlung der Mary Ward - Roman

Die Verwandlung der Mary Ward - Roman

Titel: Die Verwandlung der Mary Ward - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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einzigen Nachmittag (immer am Mittwoch, weil da der Laden nachmittags geschlossen war) in Gladys’ Wohnwagen, aß, in rosa Reyon-Bettücher verheddert, Lippenstift und hörte sich im trüben Kerzenlicht keuchen und schnaufen wie ein Läufer, während die Jahrmarktsbesucher draußen kreischten und schrien. Ihr Preis stieg. Die Haut ihrer Oberschenkel wurde schlaff, als trüge sie Strümpfe. Ansonsten war es jedes Jahr das gleiche Erlebnis.
    Im Juni des Jahres 1962 verbreitete sich im Dorf das Gerücht, daß Sandra ein Kind erwartete. Sie hörte auf, bei Cunningham zu arbeiten. Das Haus des Tierarztes hieß Meadows. Sandra blieb nun im Meadows und backte Pies mit dünner Kruste und bügelte die Viyella-Hemden ihres Mannes. Walter spazierte am Haus vorbei und sah sie drinnen mit gebeugtem Rücken völlig still stehen. Sie hieß jetzt Mrs. David Cartwright.
    Er ging zum Jahrmarkt in Leiston. Cleos Wohnwagen stand immer an derselben Stelle, hinter dem Riesenrad, am Ende einer Wohnwagenreihe. Manchmal war eine kleine Schlange davor. Die Leute schienen an dem Schild Wahrsagen nicht so ohne weiteres vorbeigehen zu können.
    Walter blieb an einer kleinen Schießbude stehen. Die Ziele waren Zinnschwäne. Er erzählte dem Schießbudenbesitzer, daß er zu Madame Cleo wolle, und dieser sagte: »Bedaure, Kumpel. Cleo ist von uns gegangen.«
    Walter zahlte einen Shilling, um sechsmal auf die Schwäne schießen zu können. Sein Vater war ein guter Schütze gewesen, doch er war es nicht. Er fragte: »Sie meinen, sie ist woanders hingegangen?«
    »Zweimal getroffen. Kein Preis«, sagte der Budenbesitzer. »Nein, ich meine, sie hat das Zeitliche gesegnet.«
    Walter fuhr mit seinem Lieferwagen nach Hause. Er überlegte, ob man Cleo im Sarg wohl ihre Brille mit den Pailletten aufgesetzt hatte und was aus ihren Reyon-Bettüchern geworden war. Er dachte an ihren richtigen Namen Gladys, der jetzt, da sie auf einem Friedhof lag, über den der Ostwind strich, irgendwie besser zu ihr paßte als zu ihren Lebzeiten, als sie zu steigenden Preisen gezaubert hatte. Schließlich hielt er an und legte den Kopf aufs Lenkrad. Er dachte: Jemand scheint Teile meines Lebens auszustreichen, mich auszulöschen.
    In dem Leben mit Sandra, das er sich ausmalte, gab er alles auf, um mit ihr auf einem Frachtkahn zu fahren. Er sang ihr Lieder vor, während sie ihre Unterwäsche aufhängte.
    Er war jetzt von Montag bis Freitag je acht Stunden und am Samstag sieben Stunden im Laden. Seine Mutter sah auf seine ungeschickten Hände, wenn er arbeitete. Er mußte einen weißen Kittel und einen Strohhut tragen und aus Fett Dekorationen für Lammrücken machen. Er konnte seinen eigenen Anblick nicht ertragen. Er war sechsundzwanzig und hatte keine Zukunft, nur die Gegenwart. Das Leben hatte ihn mit Beschlag belegt, das war alles.
    Er hörte die ersten Lieder der Beatles. Das waren keine Lieder über Mechaniker auf forstwirtschaftlichen Zügen oder über Bardamen. Die Hillbilly-Musik schien ebenfalls jemand ausgestrichen zu haben, wie alles andere auch.
    Petes Lieblingsspruch war: »Wenn dir das Leben eine Zitrone gibt, mach Zitronenlimonade daraus.« Walter dachte lange darüber nach, stellte aber fest, daß er nicht wußte, was alles in eine Zitronenlimonade gehörte. Er nahm an, daß man Zucker brauchte. Er suchte sein ganzes Leben nach etwas Süßem ab, doch alles, was er finden konnte, war das Gefühl, der harten Welt zu entfliehen, wenn er Whisky trank.
    Er ging immer öfter spät in der Nacht zu Pete. Manchmalbetrank er sich dann so sehr, daß er im Bus umkippte oder auf dem Feld hinfiel, wenn er den Versuch unternahm, zum Haus zurückzuschwanken. Am nächsten Tag zitterten dann beim Fleischschneiden und -abwiegen seine Hände, und er hatte Kopfschmerzen und konnte seiner Mutter nicht in die Augen sehen.
    Sie schämte sich seiner. Schluchzend sagte sie: »Die Leute fangen an, es zu merken, Walter. Sie beobachten dich.«
    Er wollte erwidern: Nun, mein Leben ist eine Zitrone. Ihm fehlt die Süße. Doch er sagte nur: »Ich bin sechsundzwanzig, und wenn es mir Spaß macht, trinke ich mal ein Gläschen.« Ihrem Leben fehlte auch die Süße. Sie hatte Ernie geliebt und sich auf ihn verlassen, und er hatte ihr dreißig Jahre lang jeden Morgen eine Tasse Tee zubereitet und nach oben ans Bett gebracht.
    Doch Walter schämte sich ja selbst. Er sah auch, wie schrecklich das Trinken war und wie abstoßend er wurde. Er dachte an den sauberen, nüchternen Tierarzt und seine

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