Die Verwandlung der Mary Ward - Roman
Frau, die nach Talkumpuder roch. Er entfernte sich immer mehr von ihnen, verwandelte sich, ließ ihre Art von Zukunft für ihn unmöglich werden. Und jetzt suchte er auch noch, manchmal unbewußt, manchmal mit aller Kraft seines konfusen Verstandes, nach etwas, nach einer einzigen Tat der Erniedrigung, die sie und alle, die wie sie waren, für immer über ihn stellen würde. Er spürte, daß er bald wissen würde, was es war, daß er diese Tat begehen und dann für immer für Sandra verloren und zu einem anderen Ort unterwegs sein würde.
In Walters Träumen begann Arthur, sich seiner Kleider zu entledigen. Zuerst erschien er ohne Schürze, als nächstes fehlte seine Fliege, dann trug er keine Schuhe. Die Knöpfe seines Hemds standen offen, und kleine graue Büschel seines Brusthaars ragten heraus. Er nahm auch ab, und der Gestank, der von ihm ausging, wurde so schrecklich, daß es sich Walter in seinen Träumen angewöhnt hatte, eine Kapuzenmütze aus geölter Wolle zu tragen, wie sie, so glaubte er, Bergsteiger auf ihren beschwerlichen, sinnlosen Reisen trugen.
Mary:
Miss McRaes Haus hatte zwei Schlafzimmer. Das, in dem ich schlief, machte den Eindruck, als hätte noch nie ein menschliches Wesen darin gewohnt. Es hatte einen Steinboden, und das Bett war so schmal wie ein Grab. Als einzige Dekoration hatte es eine Sammlung Kaurischneckenhäuser auf einer grünen Untertasse. Es lag im Erdgeschoß, und vor dem Fenster war eine Hecke, die alles Licht nahm.
Lange Zeit hatte ich in diesem Zimmer Alpträume. Es waren Träume vom Töten. Miss McRae erzählte mir, daß ich schrie. »Du hast Zeter und Mordio geschrien, Mary.« Der Ausdruck »Zeter und Mordio« war neu für mich. Nach dem Schreien saß ich in meinem Grab und ließ mir von Miss McRae einen gehäkelten Schal um die Schultern legen. Manchmal machte sie uns dann auch das beruhigende Malzgetränk Horlicks, und wir tranken es in kleinen Schlucken und unterhielten uns dabei über Miss McRaes lebenslangen Wunsch, die großen Kastanienwälder Korsikas zu sehen, und die Morde, die ich im Schlaf begangen hatte, traten in den Hintergrund.
Ich stellte fest, daß Miss McRae fast überhaupt nicht schlief. Sie bereitete sich auf die Nacht vor, indem sie die Haarnadeln aus ihrem Knoten zog und das graue Haar herunterfallen ließ, und dann schien sie nicht zu merken, wenn die Nacht kam. Sie hörte den World Service und las Klein Dorrit und ein Buch über Schmetterlinge. Am Morgen fand ich sie dann im Sessel, wo sie mit verschränkten Armen ein wenig vor sich hin döste. Wenn ich sie fragte, ob sie müde sei, antwortete sie immer: »Nein, nein. Aber gewiß nicht.«
Am Tag nach meiner Ankunft mit dem Hockeyschläger sagte sie zu mir, daß ich so lange wie nötig bleiben könne. Sie drückte es so aus: »Bis bessere Zeiten kommen, Mary«, und ich erwiderte, bessere Zeiten würden niemals kommen, solange mein Vater noch lebte. Und das war eins der Dinge, auf die ich im stillen wartete: daß mein Vater starb und der Hof verfiel und Martin Ward der einzige war, der ihn retten konnte.
In der Schule wollten wir über das Thema »Was macht einen guten Führer aus?« diskutieren. Jede in der Klasse – einschließlich Lindsey, die heimlich mit Ranulf Morrit verlobt war und das Lernen völlig eingestellt hatte, um ganztags von ihm träumen zu können – sollte etwas dazu beitragen, und so fragte ich Miss McRae nach ihrer Meinung.
Miss McRae kochte einfache und ordentliche Mahlzeiten – Pilz-Pie, in saubere Quadrate geschnitten, Pfannkuchen mit gleichmäßig darauf verteilten Würstchen –, und beim Essen sprachen wir über Führer. Miss McRae salzte kräftig nach und sagte: »Bei dieser Art der Diskussion, Mary, gibt es eine direkte und eine akzeptable Antwort, und es ist wichtig, daß du den Unterschied begreifst.«
Gerüstet mit ihrer ganzen Weisheit, ging ich in die Diskussion. Ich erzählte niemandem, daß es sich nicht um meine eigenen Gedanken handelte. Als ich gefragt wurde, wen ich als guten Führer bezeichnen würde, antwortete ich: »Hitler«. Schweigen legte sich über die ganze Klasse, und Miss Gaul steckte heftig Haarklemmen in ihren Zopf, um ihn vorm Herunterfallen zu bewahren. Sie sagte: »Als Diskussionsleiterin muß ich dich darauf aufmerksam machen, daß wir über einiges schon übereingekommen sind, unter anderem, daß ein guter Führer ein Mann ist, der im Sinne des öffentlichen Wohls handelt, daß ein guter Führer Weitsicht und Barmherzigkeit zeigt und
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