Die Verwandlung
versteinerter Miene an.
Ich hätte ihn am liebsten beiseitegeschubst, ihn auf seinen Allerwertesten fallen lassen. Ich wusste, dass ich dazu in der Lage gewesen wäre. Aber ich wollte mit so etwas keine Aufmerksamkeit auf mich lenken– jedenfalls noch nicht jetzt. Ich schlenderte also wieder zurück. Als ich an dem Irokesen vorbeikam, strich er mir mit der Hand über den Arm. Während sein Kumpel seinen Ausweis herzeigte und das Eintrittsgeld bezahlte, warf er seine Zigarette auf den Boden und trat sie aus.
» Hey, ich sehe dich drinnen « , meinte er. » Ich heiße Blaze. Du bist…? «
Ich beugte mich zu ihm vor und sog seinen Duft ein. Billiges Rasierwasser und Zigaretten. Der andere Teil meines Bewusstseins flüsterte: Nicht der Richtige. Das verdrängte ich sofort wieder, ebenso wie den Wunsch, zum Auto zurückzukehren, nach Hause zu fahren und den richtigen Typen zu finden.
» Nenn mich Miss Webb « , antwortete ich. » Und ich sehe dich besser auf der Tanzfläche. «
Er grinste und zückte seinen Ausweis und einen Zwanzigdollarschein für den Türsteher. » Lass mich nicht warten « , erwiderte er.
Er verschwand drinnen, und ich stellte das Lächeln ein. Hineinzukommen sollte eigentlich leicht sein. Ich bog um die Ecke auf den Parkplatz. Selbstverständlich hatte ich weder einen Ausweis noch irgendwelches Geld dabei. Also würde ich mir etwas einfallen lassen müssen. Auf der Suche nach einem weiteren Eingang spazierte ich um den Klub herum. Die Wand gegenüber vom Parkplatz wies abgesehen von einer riesigen Plakatwand keinerlei Besonderheiten auf. Ich landete in einer Gasse auf der Rückseite des Gebäudes. Da stand ein offener grüner Müllcontainer, aus dem es nach verrottetem Fleisch und Alkohol stank. Doch dahinter befand sich noch etwas anderes: eine Feuerleiter. Ich nahm Megans Autoschlüssel zwischen die Zähne, machte mit meinen hochhakigen Pumps eine Grätsche, ging in die Hocke und spürte, wie sich meine Oberschenkelmuskeln wie eine Feder spannten. Dann sprang ich. Ich weiß nicht, wie hoch ich sprang, aber es war mindestens ein Stockwerk, also ungefähr vier bis fünf Meter. Das war fast schon wie fliegen, wie ich registrierte. Der Windstoß in meinem Haar und das Gefühl flüssiger Leichtigkeit berauschten meine Sinne. Dann kam meine Haut mit Stahl in Berührung, und ich bekam den rostigen Gitterboden des Stegs zu fassen, wobei mir die dünnen Metallstreben in die Finger schnitten. Ich spannte die Arme an und schwang mich über das Geländer auf die Feuerleiter. Meine Absätze rutschten durch den Gitterrost, aber ich hielt die Balance. Von hier ab hatte ich leichtes Spiel– Treppen führten über die oberen Stockwerke bis zum Dach. Ich stieg hinauf, während die Stufen unter mir quietschten und meine Schuhe laut klapperten. Die Bässe der Musik drangen durch die Wände. Schließlich erreichte ich das Dach. Ich erklomm eine kleine Leiter, zog mich über eine niedrige Backsteinmauer und befand mich plötzlich auf einer Art Privatparty. Hier oben waren Couchen, modische gelb gemusterte Zweiersofas und Korbstühle mit hohen Lehnen. Ich sah zwei Frauen, eine mit einem jungenhaften Haarschnitt, die andere mit einem langen Zopf, die auf einem der Zweiersofas aneinandergeschmiegt miteinander flirteten, während sie an Gläsern mit irgendeinem neonblauen Alkohol nippten. Auf dem Sofa gegenüber, im Schatten eines Farns in einem hohen Kübel, der sie vor dem Licht des gelben Scheinwerfers schützte, knutschten ein Mann und eine Frau miteinander herum, während sie auf Tuchfühlung gingen. Ich konnte die Lust riechen, die sie ausströmten. Ich ignorierte die beiden Pärchen und marschierte zu der Tür, die ins Innere des Klubs führte. Die kurzhaarige Frau schenkte mir ein anerkennendes, anzügliches Grinsen, als ich vorbeiging, bis ein böser Blick von ihrem Date sie wieder zur Räson brachte.
Endlich war ich drinnen. Die Musik, eine Kombination aus rhythmischen Bässen, blanken elektronischen Klängen und sirenenartigem Gesang, zog mich sofort in ihren Bann. Ich nahm die schicke Wendeltreppe und ging eine Etage tiefer. Der Klub war überfüllt, Männer in eng anliegenden Shirts rekelten sich auf Sofas neben Frauen, die noch schriller und freizügiger gekleidet waren als ich. Wer keinen Sitzplatz hatte, suchte sich einen Stehplatz, und alles drängte sich dicht aneinander, um sich miteinander zu unterhalten und zu lachen. Die Musik war derart laut, dass ich keinen Ton verstehen konnte. An der
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