Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Verwandlung

Die Verwandlung

Titel: Die Verwandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. M. Sampson
Vom Netzwerk:
Kopf und ließ es auf den Boden gleiten. Mit schmerzenden Gliedern stieg ich unter die Dusche und zog den Plastikvorhang zu. Das heiße Wasser stach wie glühende Nadeln und ließ meine Haut rosa werden. Ich schloss die Augen und schrubbte mich mit meinem Luffaschwamm ab, um den Schmutz der letzten Nacht loszuwerden, die Splitter vom Rücken und die Grasspuren von den Füßen abzubekommen. Nachdem ich seufzend Luft geholt hatte, setzte ich mich in die Wanne und umschlang meine Knie. Ich atmete schwer, während Tränen in meinen Augen brannten. Mein ganzes Leben hatte sich so schnell verändert, und ich wusste nicht, wie ich irgendetwas davon in den Griff kriegen sollte. Letzte Woche war ich noch dieselbe Person gewesen, die ich mein Leben lang gewesen war– die ruhige, zurückhaltende, strebsame kleine Emily, die ihre Tage damit zubrachte, davon zu träumen, wie andere Teenager zu sein und das Selbstvertrauen zu haben, mehr mit ihrer Highschool-Zeit anzufangen, als sich dauerhaft in ihrem Zimmer zu verschanzen. Man sollte vorsichtig sein mit dem, was man sich wünschte, nicht wahr? Als ich so da saß und der harte Wasserstrahl mir ins Gesicht trommelte, empfand ich zum ersten Mal Angst. Die Eskapaden der Nächtlichen Emily gingen oft zu weit, doch die Sorgen, die ich mir wegen der Veränderung machte, waren immer mit einer großen Dosis Aufregung gespickt gewesen– mit der Freude an meinem neuen Selbstbewusstsein, meiner neuen Fähigkeit, austeilen und einstecken zu können. Vielleicht hatte ich nicht einmal Angst davor gehabt, mich in einen Werwolf zu verwandeln– in einen verdammten Werwolf. An dieser ganzen Werwolf-Geschichte war etwas, das mich vor Erstaunen völlig schwindelig im Kopf machte, weil es sich noch nicht real anfühlte. Es fühlte sich eher an, als wäre eine weitere Fantasie Realität geworden– sich in etwas Besseres und Stärkeres zu verwandeln, als ich es war. Mit Ausnahme der schattenhaften Figuren, die ich gesehen hatte, war das Wesentlichste, woran ich mich aus meiner Phase als Wölfin letzte Nacht erinnerte, dieses Gefühl der Furchtlosigkeit. Es war mit nichts vergleichbar, was ich jemals zuvor gefühlt hatte, nicht einmal als Nächtliche Emily. In der Lage zu sein, die wölfische Seite in mir ans Ruder zu lassen? Das war sogar irgendwie… nett. So saß der blöde, geistig unbedarfte Teil von mir einfach da und dachte: Cool!, während der rationale Teil zur Kenntnis nahm, dass mein Leben gerade etwas komplizierter geworden war. Nein, was mich tatsächlich vor Angst hatte erzittern lassen, war der Mann in der Gasse gewesen. Die dunkle Gestalt mit der Pistole und der rauen Stimme, der mich köderte, mich ins Visier nahm. Genau so, wie er sich an Emily C. und Dalton herangeschlichen hatte. Ich hatte gespürt, wie die Kugeln an meinem Gesicht vorbeigeflogen waren und mich nur knapp verfehlt hatten. Und obwohl die Nächtliche Emily darüber lediglich stinksauer gewesen war, fühlte ich mich jetzt, wo ich wieder ich selbst war, doch recht sterblich. Und ich wollte nicht sterben. Das wollte ich einfach nicht. Als ich so unter der Dusche saß und mir die reliefartigen, ausgestanzten Rutschstopper in Form kleiner Gummifischchen an der Haut rieben, wurde mir klar, dass ich nicht mehr anonym war. Nicht nur, weil ich auf einer Party verrückt gespielt hatte oder in einem Klub wild getanzt hatte. Irgendjemand da draußen, jemand, den ich nicht kannte, wollte meinen Tod. Er scherte sich nicht darum, dass ich das Erwachsenenalter noch erleben und herausfinden wollte, was einmal aus mir werden würde. Irgendjemand wollte mir das wegnehmen, und wenn die Nächtliche Emily auch Müllcontainer herumschleuderte und die Werwolf-Emily über erschreckende Zähne und Klauen verfügte, war ich doch die meiste Zeit über die Tagsüber-Emily, also hilflos. Das war kein leeres » Was, wenn es mich getroffen hätte? « mehr. Es war ein: » Wann wird es mich treffen? « Ich könnte hinausgehen, und er könnte da sein, ebenso schattenhaft wie die gespenstischen Figuren, die ich sah, wenn ich eine Wölfin war. Er würde seine Pistole heben, den Abzug drücken… Ich konnte jetzt gerade nicht an die Nächtliche Emily denken. Konnte nicht darüber nachdenken, ob ich verrückt würde, immer noch halluzinierte oder tatsächlich ein Monster war. Es gab niemanden, mit dem ich über diese Dinge reden konnte, und angesichts der Bedrohung durch diesen Mann mit der Waffe, der immer noch da draußen war, jetzt an sie zu denken,

Weitere Kostenlose Bücher