Die Verwandlung
würde mich in den Wahnsinn treiben. Aber ich konnte über den Schützen sprechen. Vielleicht nicht mit meinen Eltern, der Polizei oder garDeputy Jared– die sonst von meinen geheimen Leben erfahren und erkennen würden, dass ich eine Abart der Natur war. Und die mich dann in die Hände von Wissenschaftlern weiterreichen würden, die mich aufschlitzen würden, um herauszufinden, worum es sich bei mir handelte. Aber ich konnte mit Megan reden. Mit Megan konnte ich immer reden. Sie würde die Verwandlung in die Nächtliche Emily nicht verstehen, und ich würde mich nicht trauen, ihr über meine Verwandlung in einen Werwolf zu erzählen, diese Sache jedoch… vielleicht konnte sie mir helfen. Ich griff nach dem Wannenrand und zog mich auf die Beine. Dann wischte ich mir über die Augen und wusch mir noch das Gesicht, bevor ich die Dusche ausstellte. Ich rubbelte mich trocken, zog mir mein Kapuzenshirt an und setzte die Brille auf. Dann griff ich mir das schmutzige Kleid vom Boden und ging auf Zehenspitzen über den Flur zurück in mein Zimmer.
Megan war weg.
Ich schlich so leise wie möglich nach unten, entdeckte die Überreste unseres Milchshake-Videoabends im Wohnzimmer– die offene Scream - DVD -Box, Megans leeres Glas mit der geschmolzenen Eiscreme, die unten geronnen war–, aber ich entdeckte keine Megan. Sie war gegangen und wahrscheinlich schon auf halbem Wege nach Seattle, um ihr Auto alleine abzuholen. Ich setzte mich auf die Sofakante und vergrub mein Gesicht in den Händen. Zu allem Unglück hatte ich mir auch noch Megan zur Feindin gemacht, vielleicht endgültig.
Nun war ich auf mich allein gestellt.
In meinem Zimmer fiel ich schließlich für einige Stunden in einen unruhigen Schlaf, bevor ich aufwachte und mich die Ereignisse der letzten Nacht erneut einholten. Doch dieses Mal erschienen sie mir nicht mehr so schlimm. Es ist erstaunlich, was sich der Verstand alles vernunftmäßig erklären kann, bevor er endgültig aussetzt. Trotzdem konnte ich mich der Vorstellung nicht erwehren, dass ich beim Blick aus dem Fenster den Schützen sehen würde, seinen breitkrempigen Hut, dessen Schatten das Gesicht verdeckte, während er die Pistole auf mich richtete, bereit, mich für immer auszulöschen.
Ich versteckte mich den halben Tag lang in meinem Zimmer und ging trotz meines knurrenden Magens nicht einmal zum Essen hinunter. Mein Dad kam nach einer Weile, um nach mir zu sehen. Ich log ihn an und erzählte ihm, ich hätte viele Hausaufgaben auf, mit denen ich fertig werden wollte. Dann überzeugte ich ihn davon, mir das Internetkabel zurückzugeben, weil ich etwas recherchieren musste. Ich sammelte alle Bücher zusammen, die ich aus der Bücherei ausgeliehen hatte, und breitete sie auf meinem Bett aus. Mit Snoopy auf dem Schoß überflog ich sie und versuchte, Variationen über das Thema zu finden, die erklären würden, was mit mir geschah. Doch die Legenden rankten alle um dasselbe– Werwolf beißt Mensch, Mensch verwandelt sich daraufhin bei Vollmond in Wolf, bla bla bla. Kein Wort darüber, dass die Verwandlung mit verrückten Stimmungsschwankungen beginnt oder man zu einem Wolf wird, wenn lediglich ein Halb- oder Sichelmond am Himmel steht. Über eine Verwandlung, wenn man noch nicht mal von einem Hamster gebissen wurde, geschweige denn von einem Wolfsmenschen, stand rein gar nichts. Frustriert schleuderte ich die Bücher beiseite und wühlte stattdessen in meinem DVD -Fach. Ich hatte eine Reihe von Werwolf-Filmen: Dog Soldiers, American Werwolf, Teenwolf, alle drei Teile von Ginger Snaps, Verflucht. Mit Ausnahme von Teenwolf ähnelten die Geschichten sich sehr: Mann– oder Frau– wird zum Biest, andere Menschen befürchten ein Blutbad, er– oder sie– muss zur Strecke gebracht werden.
Beruhigend.
Alles klar. DVD s würden mir also auch nicht weiterhelfen. Ich konnte zwar Ähnlichkeiten in Büchern und Filmen finden, aber das Richtige war nicht dabei. Und wieder fühlte ich mich alleine. Hoffnungslos fühlte ich mich deswegen jedoch nicht, nicht wirklich. Ich war einfach nur frustriert. Es war schon schlimm genug, ursprünglich stets die Streberin gewesen zu sein, die Dinge mochte, von denen niemand an meiner Schule je etwas gehört hatte, und mir jetzt die halbe Schule zum Feind gemacht zu haben, als ich mich auf Mikey Harris’ Party wie eine cracksüchtige Stripperin aufgeführt hatte. Nun musste ich mich auch noch damit auseinandersetzen. Jeder Teenager verändert sich, wenn er langsam
Weitere Kostenlose Bücher