Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit
du dir Zeiten schlecht merken kannst, dann schreiben wir diese vor dem nächsten Rausgehen halt auf. Und da es ja nicht das erste Mal ist, dass es deswegen Diskussionen gibt, möchte ich nun auch von dir hören, was passiert, wenn du wieder einmal zu spät kommst.«
Basis dieses neuen Umgangs war ein Beratungsgespräch in meiner Praxis. Es wurde erkannt, dass zu häufig, wenn Sohn oder Tochter schon fast vor der Tür sind, noch rasch Termin-Ansagen oder Termin-Vereinbarungen vorgenommen werden. Aber dann ist es nachvollziehbar, dass diese nicht ins Bewusstsein finden oder schnell verdrängt werden. Also brauchen Termin-Absprachen einen Rahmen, in welchem die Uhrzeit klar vereinbart und gleichzeitig auch die Konsequenz bei Nichteinhaltung schon im Voraus durch Sohn oder Tochter benannt wird. Und wenn doch mal wieder die Zeit überschritten und beispielsweise vereinbart wurde, dass die doppelte Überziehungszeit beim nächsten Date einzusparen ist, gibt es keinen Lamentiergrund mehr.
Wenn Handy-Kontakte zum Pulsschlag des Lebens werden
»Irgendwann hörte ich, wie unsere Mara (zwölf Jahre) einer Freundin berichtete, in den letzten acht Wochen über 1 200 SMS verschickt zu haben. Da sich unsere Tochter vom Taschengeld eine Flat fürs Kartentelefon gekauft hatte, gab es keine finanziellen Probleme. Aber 20 SMS pro Tag, das ist zu viel. Jetzt will sie sich auch bei schülerVZ anmelden. Auch unser 16-jähriger Ben hat ständig sein Smartphone in der Hand, klickt dauernd zwischen Facebook, Google News und YouTube herum, schaut gebannt aufs Display und hofft auf irgendwelche coolen Mitteilungen. Man hat den Eindruck, als wenn es sich um einen Topmanager, Staatschef oder Weltstar handeln würde: immer erreichbar, jederzeit muss es möglich sein, wichtige Nachrichten in die Welt zu senden. Auch bei den Mahlzeiten und Schularbeiten dreht sich alles um das ach so wichtige und geliebte Handy. Selbst zum WC geht er nie ohne sein Multi-Gerät. Wie kann ich diese Handy-Manie stoppen?«
›Ich simse, chatte, twittere und surfe,
also bin ich!‹
Wenn sich die erste Euphorie mancher Eltern (›Schau mal, wie kompetent unser Kind diese neun Medien bedienen kann!‹) auflöst, werden meist stärker die Gefahren eines unkontrollierten Umgangs in den Blick genommen. Ja, 1 200 SMS in zwei Monaten zu versenden und ständig mit einem Multifunktions-Gerät herumzuhantieren, sind eindeutige Belege für fehlende Selbstkontrolle. Dass viele Erwachsene dieselben Probleme haben, macht das Einleiten notwendiger Änderungsschritte für den Nachwuchs nicht einfacher.
Hier nun einige grundlegende Hinweise zum Umgang mit den – uns immer stärker auch beherrschenden – neuen Multifunktions-Medien.
Blieb in der griechischen Mythologie Narziss vor jeder Pfütze stehen, um sich an seinem Abbild zu ergötzen, so starren heutige Zeitgenossen nervös-verliebt auf das so wunderschön in der Hand liegende Hightech-Teil und sind entzückt vom sich spiegelnden eigenen Abbild. Erst nach langen innigen Blicken und zarten Fingerspielen wenden sie sich bei akuten Außenanforderungen von ihrem Zweit-Ego ab und seufzen, dass zu viele andere auch so ihr Image aufzupolieren versuchen. Bei so viel Schillerndem steht Klärung an, ob für die Kinder- oder die Elterngeneration. Die grundlegendste Frage, welche im Umgang mit jeglichen technischen Geräten regelmäßig zu stellen ist, lautet: Bin ich Herr oder Knecht? Oder: Bestimmt die Technik über mich oder nutze ich diese gezielt? Wer sich für eine sinnvolle Nutzung entscheidet, wird viele zeitraubenden und manche geisttötenden Handlungen ins Aus verweisen und wirkungsvollere Möglichkeiten zur Ich-Stabilisierung suchen. Sicher mag es faszinierend sein, mit einem Super-Smartphone jedes in der Luft befindliche Flugzeug oder ruck, zuck per Strichcode-Scanner den Hersteller und billigsten Anbieter eines Artikels identifizieren zu können, aber es gibt sinnvollere Möglichkeiten der Nutzung von Lebenszeit. Um aber nicht in jeder Einzelsituation alle Kriterien zwischen ›wichtig‹, ›unwichtig‹ und ›abzulehnen‹ erneut durchgehen zu müssen, sind einige grundsätzliche formale und inhaltliche Nutzungsregeln festzulegen.
Hier einige Konkretisierungen formaler Art: Abends ab … Uhr bis nach dem Frühstück, im Theater, bei wichtigen Gesprächen, auch mit Freunden, ist der elektronische Quälgeist ausgeschaltet. Unter inhaltlichen Gesichtspunkten: Wichtige Telefonate oder SMS, ein Blick in den Fahrplan oder
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