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Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit

Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit

Titel: Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kösel-Verlag <München>
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Hotels und Restaurants bieten Verwöhn-Arrangements, zarte Wäsche soll verwöhnen, Frauen suchen per Heiratsanzeige einen Mann, um ihn nach ›Strich und Faden‹ zu verwöhnen, und natürlich werden die lieben Kleinen verwöhnt.
    Wird der Begriff Verwöhnung im Zusammenhang mit Kinderverhalten oder Erziehung verwendet, erhält er eindeutig eine negative Bedeutung. Erklärlich wird dies, wenn wir uns die Herkunft dieses Begriffs anschauen. Sprachgeschichtlich kommt das Wort »Verwöhnen« vom mittelhochdeutschen »verwenen«. Dies bedeutet, in übler Weise an etwas gewöhnen. Das mittelhochdeutsche »wenen« = »gewöhnen« hat die Bedeutung, zu schlechten Gewohnheiten zu veranlassen. Bezogen auf Kinder werden auch Begriffe wie verziehen, verzärteln und verweichlichen gebraucht, ergänzt durch Ausdrücke wie »jemand etwas hinten reinstecken« und »am Rockzipfel hängen«.
    In diesem Buch geht es um die zweite Bedeutung, wo verhätscheln zur Verweichlichung führt. Aber selbst das erste Begriffsverständnis – eigentlich nett und harmlos wirkend – wirft die Frage auf, was denn in einer konkreten Situation als liebevoll und für-sorglich verstanden wird. Ist es immer liebevoll, wenn Eltern beim kleinsten Mucks ein Kind hochnehmen? Ist es fürsorglich, einem Jugendlichen den Start in den Tag durch ein Bereitlegen aller wichtigen Sachen zu erleichtern, weil ›Transusigkeit‹ sonst Wichtiges vergessen lassen könnte? Fördert es das Zusammenleben von Erwachsenen wirklich, wenn jemand dauernd für andere Sachen erledigt, ob im Beruf, in Partnerschaft oder Freizeit? Zur vertiefteren Klärung ist es notwendig, das Phänomen der Verwöhnung, besonders im Umgang mit Kindern, einer weiteren Analyse zu unterziehen.
    Ein Student meiner Seminare an der Universität Düsseldorf, welcher den Gedanken des ZEIT -Artikels »Droge Verwöhnung« sehr kritisch gegenüberstand, hatte auf diesem Hintergrund eine Hausarbeit übernommen. Zur Einführung ins Thema befragte er einige Menschen aus seinem Umfeld, was sie mit Verwöhnung verbinden. Hier die Antworten:
    ❯ »Verwöhnung bedeutet, jemanden über ein reelles Maß hinaus etwas Gutes tun, wobei die verwöhnte Person im gewissen Maße den Sinn für die Realität verlieren kann.« (Altenpflegerin, 49 Jahre, zwei Kinder)
    ❯ »Verwöhnen heißt, für eine Person zu viel tun, Aufgaben abnehmen, die sie alleine bewältigen könnte, um Liebe zu beweisen. Hierbei können Hintergedanken eine Rolle spielen. Man verwöhnt oft Kinder, obwohl es klar sein sollte, dass das Kind dadurch verdorben wird.« (Industriekauffrau, 23 Jahre)
    ❯ »Jemandem etwas zukommen lassen, das dieser nicht unbedingt braucht. Das Verwöhnen kann manchmal aus Eigennutz den Zweck haben, jemanden unmündig zu halten.« (Student für Erdkunde und Geschichte, Sekundarstufe II, 22 Jahre)
    ❯ »Verwöhnen ist das ›unnötige Erledigen‹ von Arbeiten für einen anderen zur Erhaltung bzw. Erlangung seines eigenen Wohlbefindens.« (Schornsteinfeger, 25 Jahre)
    Diese Mini-Befragung verdeutlicht – auch wenn sie nicht repräsentativ ist –, dass alle hier getätigten Äußerungen den Vorgang der Verwöhnung keinesfalls in einem positiven Licht sehen. Mich hat diese Klarheit und Eindeutigkeit sehr überrascht. Denn viele Diskussionen mit Eltern oder anderen Erziehungsverantwortlichen waren Zeugnisse des Versuchs, Verwöhnung entweder als Ausdruck von Liebe darzustellen oder die negative Wirkung der Verwöhnung verteidigend herunterzuspielen, frei nach der Devise ›Ein bisschen Verwöhnung ist doch nicht so schlimm‹.
    Neben diesen Befragungs-Ergebnissen soll auch ein O-Ton aus Kindermund nicht fehlen. Eine Mutter hatte sich mit der Verwöhnungsfalle in eine Zimmerecke zurückgezogen, während die beiden Söhne im Alter von sechs und acht Jahren an ihr vorbeigingen, um etwas zu holen. Da fragte einer: »Was liest du denn da?« »Ach«, meinte die Mutter, »das ist ein Erziehungsbuch zum Thema Verwöhnung.« »Hm!?« Daraufhin die Mutter: »Habt ihr eine Vorstellung, was Verwöhnung eigentlich ist?« Die beiden grübelten und dachten eine Weile nach. Dann kam fast sprudelnd wie aus beider Mund: »Mama, wenn wir im Garten spielen und dann mit schmutzigen Schuhen durch das Wohnzimmer laufen und du dann den Dreck wegsaugst, das ist Verwöhnung!« Die Mutter war baff. So viel Sachkenntnis und Selbstreflexionsfähigkeit hatte sie ihren Kindern nicht zugetraut. Aber es nagte auch die Frage, wie oft sie wohl in der

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