Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit
– von den gesetzlichen Rahmenbedingungen bis zum Verhalten der einzelnen Lehrkraft – kritisch unter die Lupe zu nehmen.
Wer ernsthaft einen solchen Blick wagt, stellt fest: Die Mehrzahl heutiger Schüler weist deutliche Symptome von Verwöhnung auf. Hier werden Hausaufgaben einfach als zu umfangreich betrachtet, dann ist es unzumutbar, in den Osterferien für anstehende Prüfungen zu lernen. Bei kleinstem Unwohlsein würde eine Teilnahme am Sportunterricht ›das Leben gefährden‹ und das Nachreichen von nicht erbrachten Hausaufgaben ist einfach nicht hinnehmbar, schließlich hatte Mutter doch in der Entschuldigung ausdrücklich auf den Besuch der Oma hingewiesen. Ein Buch durcharbeiten zu sollen, zeugt nur von den Machtallüren vieler Pauker, und während des Unterrichts weder Getränke noch Joghurt, Chips oder Milchschnitten konsumieren zu dürfen, grenzt an reine Schikane. Selbst das – keinen störende – Verfassen von SMS während des Unterrichts ist unerwünscht. Leistungsanforderungen werden als Ausdruck des Ewiggestrigen abgetan und stattdessen wird vergnüglicher Unterricht gefordert. »Weshalb nehmen die Lehrkräfte nicht meine ›Null-Bock-auf-alles-Mentalität‹ als Bedürfnis wahr?«, so das stille Stöhnen vieler arg geplagter Schülerinnen und Schüler.
Aber alle diese Kinder und Jugendlichen wurden nicht heimtückisch von einem bösen Zauber befallen, sondern offen baren nur die Folgen stetiger erzieherischer Fehlhandlungen durch Eltern und andere wichtige Bezugspersonen. Mangelnder Mut, Trägheit und Interesselosigkeit sind das Resultat.
Die Schule bietet somit den Raum zum größt möglichen ›Betroffenentreff‹ von Verwöhnten.
Auf diesem Hintergrund hätte die Schule reichlich Anlass, diesem Prozess entgegenzuwirken. Stattdessen wird eine ganze Palette von Möglichkeiten geboten, verwöhnungsbedingtes Unvermögen ungeniert ausleben zu können. In der Kombination von ›Gewährenlassen‹ und ›Mitmachen‹ wirkt Schule somit als Hightech-Problemverstärker. Denn ausbleibende Konsequenzen bzw. Sanktionen bei Fehlverhalten verwöhnen ebenso wie eine ständige Unterforderung im Unterricht. »Statt Kindern die Lust am Lernen zu lehren und sie auf das Leben vorzubereiten, pflegen deutsche Lehrer ihren Frust. Gut bezahlt und auf sicheren Arbeitsplätzen spulen sie ein Miniprogramm ab, ohne Angst vor Sanktionen haben zu müssen«, so ein Beitrag in der Wirtschaftswoche . Eine Konsequenz ist, dass Eltern allein in Deutschland jährlich über eine Milliarde Euro für Nachhilfe ausgeben. Doch das staatliche Zwangssystem Schule bleibt weiter ganz gelassen. Wie sagte noch der Alte Fritz: »Ruhe ist die erste Bürgerpflicht.«
Einige Beispiele aus der Reihe ›Unter deutschen Dächern‹ belegen, wie die Schule aktiv in die Rolle des Verwöhners schlüpft: Existierende Schulordnungen haben bei Regelverstößen keine Relevanz, meistens fehlen auch entsprechende Sanktionsvereinbarungen. Der knapp 17-jährige Dennis aus Hamburg berichtet in einer Fernsehsendung, wie er bis zu seinem 14. Lebensjahr addiert insgesamt knapp vier Jahre die Schule fast folgenlos schwänzen konnte. Obwohl Kinder in den Pausen frische Luft brauchen, können sie in ihren Klassenzimmern herumhängen. Trotz eines übersteigerten Zuckerkonsums bei einer großen Zahl von Schülerinnen und Schülern strotzt häufig das Warenangebot am Schulkiosk vor Süßigkeiten und überzuckerten Getränken. Ramponiertes Schulmobiliar, obszöne Kritzeleien auf den Toiletten, Dreck und Unrat allerorten sind die traurigen Belegstücke eines Vandalismus made in Schule. Auch die Gewalt gegenüber Mitschülern nimmt immer mehr zu, ob Mobbing, Erpressung oder gefährliche Körperverletzung. Allzu häufig geschieht dies recht folgenlos. Angemessene Reaktionen von Lehrkräften auf krasse Fehlhandlungen von Schülern führen eher zur Ermahnung des Lehrers durch Schulleitungen – wenn Eltern sich entsprechend beschweren – als zu Maßnahmen gegenüber den Störern. Häufig ausfallende Schulstunden signalisieren den Schülern, dass der Staat die sich aus der Schulpflicht ergebende Lehrpflicht nicht so ernst nimmt. Neben Defiziten im Lernstoff ist eine weitere Folge, dass Schüler auch immer häufiger Ausfallanlässe finden und den Schulbetrieb meiden.
›Durch Kopfnoten werden nur die alten Sekundärtugenden unterstrichen, das wollen wir nicht. Und Fehlzeiten auf dem Schulabgangszeugnis würden nur die Startchancen vieler Jugendlicher
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