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Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit

Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit

Titel: Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kösel-Verlag <München>
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erzieherische Ratschläge erhalten. Mal geht es um die Art des Essens, dann werden die Schlafenszeiten kritisiert, ein andermal sollte doch anders mit Kinderkrankheiten umgegangen werden.
    Genau an diesem Nachmittag – während der Kaffeerunde – fängt die Kleine an, mit verschiedensten Spielutensilien durch das Zimmer zu werfen. Alle ermahnenden Hinweise von Vater und Mutter haben keinen Erfolg. Normalerweise käme Leonore in solchen Situationen in ihr Kinderzimmer bei gleichzeitigem Einkassieren der Wurfgegenstände. Aber eine solche Reaktion würde wieder Diskussionen auslösen. Da kommt der Mutter blitzschnell eine Ablenk-Idee: »Sicher hat Leonore eben zu wenig gegessen.« Sie nimmt sie flugs auf den Schoß und gibt ihr etwas von ihrem Sahnekuchen. Die Begründung scheint plausibel, jedenfalls bleiben die befürchteten Anfragen aus. Ähnliche Verwöhnstrategien werden bei lautstarken oder anders zum Ausdruck gebrachten Protestaktionen im übervollen Wartezimmer eines Arztes, beim festlichen Ostergottesdienst oder innerhalb einer Trauerfeier entwickelt und eingesetzt.
    Eine besondere Herausforderung für Eltern oder andere Bezugspersonen ergibt sich in der Folge von Krankheiten. Manches, was sonst nicht üblich ist, wird dann ermöglicht. Schlafen im Zimmer der Eltern, Speisen nach Wunsch, so oft wie möglich Geschichten aus dem Lieblingsbuch, zwischendurch ein neues Kuscheltier, alles soll die Genesung erleichtern. Aber dann, wenn die Windpocken überwunden sind, taucht mit der Beendigung der Sonderbehandlung ein neues Problem auf. Der Szenenwechsel wird nicht akzeptiert, die bisherigen Annehmlichkeiten oder Vergünstigungen werden nachhaltig eingefordert.
    Auch Zwietracht in der Familie oder konfliktträchtige Wochenend-Beziehungen zwischen Kindern und einem getrennt lebenden Elternteil bieten einen starken Nährboden für Verwöhnaktionen, da auf diese Weise die Erwachsenen ihre selbst erlebten Spannungen mit sich und dem/der Ex durch scheinbar großzügige Gesten gegenüber Kindern zu reduzieren suchen.
    Eine kleine Auswahl typischer Situationen, in denen verwöhnt wird:
    ❯ im Kontakt mit den Großeltern (Großtanten usw.)
    ❯ nach akuten Krankheiten
    ❯ bei starken Konflikten in der Familie und im sozialen Umfeld
    ❯ wenn z. B. in einem Gotteshaus oder bei einer Beerdigung Ruhe erwartet wird
    ❯ bei Zeitdruck
    ❯ wenn sich die Handelnden kritisch beobachtet fühlen
    Immer dann, wenn eine Situation als druckvoll erlebt wird, neigen insbesondere wenig belastbare Menschen dazu, sich umgehend dieser Anforderung zu entziehen. Fast jedes Mittel kann dann zum Einsatz kommen. Die Hauptsache ist, dass momentan Entlastung möglich wird. Die Auswirkungen für die Kinder werden dabei ausgeblendet. Aber schon am nächsten Tag, wenn wieder Entscheidungen anstehen, erfordern die Altlasten des Vortages einen über die normale Kraft hinausgehenden Aufwand.
    Wie sagt der Volksmund: »Aufgeschoben ist nicht aufgehoben!«
    In allen geschilderten Fällen werden die Personen, welche sich in den beschriebenen Geschehnissen wiederfinden, vielleicht vehement beteuern, doch nur ›das Beste‹ gewollt zu haben. Es bliebe nur offen, für wen. Denn allen Reaktionen ist gemeinsam, dass eine solche ›Mit-Gift‹ nicht zur Lebenstauglichkeit der nachwachsenden Generation führt.
    Verwöhnung als resistentes All-Unheil-Mittel in Erziehung und Gesellschaft
    Verwöhnung hat nicht nur viele Gesichter, sondern auch unterschiedlichste Schauplätze. Am häufigsten ist sie zwischen Eltern und Kindern zu beobachten. Ebenfalls wirken Großeltern, andere Familienmitglieder, Kindergärten und Schulen kräftig mit. Verwöhnung ist aber auch im Umgang zwischen Erwachsenen oder Institutionen, gesellschaftlichen Kräften und dazu in Beziehung stehenden Menschen festzustellen.
Väter und Mütter verwöhnen Töchter und Söhne.
Großeltern verwöhnen Enkel.
Tanten und Onkel verwöhnen Nichten und Neffen.
Kindergärten verwöhnen Kinder.
Schulen verwöhnen Schüler.
Frauen verwöhnen Männer, manchmal auch umgekehrt.
Betriebe verwöhnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Ärzte und Krankenkassen verwöhnen Patienten.
Funk, Fernsehen, Film, Internet und Printmedien verwöhnen Rezipienten.
Industrie, Handel, Banken und Dienstleister verwöhnen Konsumenten.
Einrichtungen des Sozialstaates – von der Arbeitsvermittlung bis zum Sozialamt – verwöhnen Bürger.
    Diese Personen bzw. Institutionen wenden sich jedoch nicht nur verwöhnend an andere,

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