Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit
Nase; den Nutznießern bringt es ein richtig gutes Gefühl. »Muttertag« nennt sich das Ereignis. Kinder und Männer handeln meist Hand in Hand, um die liebe Mutti nach Herzenslust zu verwöhnen. Ein Blumenstrauß als Morgengruß, das Frühstück am Bett, ein Gläschen Prickelndes für zwischendurch, vielleicht noch was Nettes für die Blößen des Bodys, etwas Glänzendes oder Wohlriechendes für das Selbstwertgefühl, mittags das Lieblingsmenü im Restaurant um die Ecke und der abendliche Abwasch regelt sich von selbst. Das Ganze geschieht nach der Devise, wer gerne und zuvorkommend investiert, kann auch mit einer großen Rendite rechnen. Schließlich wird ja erwartet, dass die Mutter und Hausfrau für die übrigen 364 Tage wieder optimiert bügelt, putzt, wäscht und für ein allseits gutes emotionales Wohlbefinden sorgt. Und wenn es nötig ist, wird auch hier und da zusätzlich ein spezieller Seelentrost zu erheischen sein. Sicher wird nicht allen Frauen so exzessiv Anerkennung per Knopfdruck zugemutet. Aber wenn Männer – und zum Teil auch Kinder – auf diese Weise ihr schlechtes Gewissen zur Lastenverteilung im Haushalt zu reduzieren suchen, sind Wachsamkeit und Umdenken angesagt.
Schauen wir auf die übrigen Tage des Jahres, dann können wir feststellen, dass auch Frauen ihr Geschäft im Umgang mit Männern (und Kindern) verstehen. Aufopferungsvoll wirkend beherrschen sie virtuos die Partitur der Verwöhnung, hier piano, dort eher forte. Ein exquisites Abendessen plus Lieblingsnachspeise für ihn soll die Zusage zu einem Pferd erleichtern, die fertig gepackte Reisetasche und das vorbildlich gebügelte Hemd für die Konferenz könnten die Buchungszusage für den Badeurlaub auf Malta begünstigen, obwohl er doch lieber nach Südtirol in die Berge fährt. Und die Bereitschaft, dem Gatten manch kleine Eigenheit großzügig zu verzeihen, wird doch sicher den erneuten Ärger wegen überproportionaler Geldausgaben für Nippes und Glitzer minimieren oder gar verrauchen lassen. Die schnelle Einwilligung zur Taschengeldaufstockung reduziert Auseinandersetzungszeiten mit Sohn oder Tochter, schließlich will Mutter ja noch ins Beauty-Studio. Wer verwöhnt, hofft auf Willfährigkeit.
Sag mir, wo du arbeitest, und ich sag dir, wie verwöhnt du bist
Vor einiger Zeit wurde in der Presse von einem Fall aus Süddeutschland berichtet, wo ein leitender Mitarbeiter so zum Leidtragenden wurde, dass er fast gar nicht mehr zum Dienst erscheinen konnte. Kam er mal tageweise, stapelte er die anstehende Arbeit in irgendwelche Schränke und verschwand wieder. Bei einem solch kritischen Gesamtzustand war das eine nicht zu unterschätzende Leistung. Das Heimtückische an seiner Krankheit war, dass sie von Amtsärzten nicht gefunden werden konnte. Modernste Diagnosegeräte kamen zum Einsatz und erbrachten allesamt keinen Befund. Nur ein spezieller Hausarzt war in der Lage, immer neue Indizien für die weitere Existenz dieser kaum lokalisierbaren, aber an die Substanz gehenden Beschwerden zu erkennen. Das brachte alle Kollegen in eine multiple Existenzkrise. Mal glaubten sie dem Kollegen und seinen Attesten, mal ihrer laienhaften Deutung, welche identisch zu den Untersuchungsergebnissen der vielen Fachärzte war: ›Einbildung ist zwar gefährlich, aber keine Krankheit.‹ Inzwischen hat ein Gericht entschieden, dass sein Gehalt zurückgestuft werden darf, weil er seit Jahren seinen dienstlichen Verpflichtungen nicht ordnungsgemäß nachkomme. Die schwierige Quizfrage lautet: Bei welchem Arbeitgeber muss dieser Mann beschäftigt sein? Sie werden es sicher nicht erraten …, es ist eine öffentliche Verwaltung. – Die Fürsorgepflicht des Staates gegenüber seinen Arbeitnehmern kann so weit gehen, dass für Hypochonder eher die Richtlinien geändert werden, als sie die Begrenztheit ihrer Posse spüren zu lassen.
Solche Phänomene sind jedoch noch steigerungsfähig und die Verantwortlichen von EU-Dienststellen können über solch kleinbürgerliche deutsch-bürokratische Verwöhnung nur milde lächeln: Viele Abteilungen im Dienste eines großen Europas scheinen nur darin ihre Überlebenschance zu sehen, dass sich viele so unauffällig wie möglich gegenseitig beschäftigen oder ruhig stellen. Die Idealrezeptur dazu ist die Verwöhnung. Alle freuen sich über so viele Zugeständnisse, von immensen Steuervorteilen, horrenden Zulagen, pauschalen Spesenabrechnungen und unkontrollierbaren Arbeitsprozessen ganz zu schweigen, dass solche
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