Die Verwöhnungsfalle - für eine Erziehung zu mehr Eigenverantwortlichkeit
geringen Fehlerquote. So kann es auch bei der Verwöhnung nur um eine Reduzierung ihrer Intensität gehen, selbst wenn ein völliges Ausmerzen zu wünschen wäre.
Trotz aller möglichen Vorgeprägtheiten aus früher Kindheit gibt es hier keinen Handlungs-Automatismus. Auch wenn eine Kombination verschiedener Veranlagungen sich verstärkend auswirkt, der grundlegendste Gradmesser für eine Disposition zum Verwöhner ist der Umfang des Fehlens von Lebensmut und damit einhergehender Verantwortungsvermeidung . Denn je umfangreicher und/oder unbearbeiteter diese Defizite sind, desto gezielter werden Strategien zur Verwöhnung eingesetzt.
Menschen, welche sich eine Identität auf der Basis ›Ich helfe und opfere mich auf, also bin ich‹ aufzubauen suchen, ergreifen jede Verwöhnmöglichkeit, um so eine abgesicherte Existenzberechtigung zu finden. Häufig sind gerade besonders edel wirkende Gesten Ausdruck eines subtilen Verlangens, andere Menschen klein zu halten. Abhängigkeit ist der dabei fällige Tribut, mit der Folge entsprechend reduzierter Lebensperspektiven für die Betroffenen. Menschen mit Ich-Stärke und Lebensmut brauchen sich keine Abhängigen heranzuziehen, um durch sie am Abgrund der eigenen Angst einen Beistand zu haben. Im Gegenteil, sie tragen zur Entwicklung von Eigenverantwortlichkeit und Stärke der ihnen Anvertrauten bei.
Das Lechzen der Verwöhnten nach ›weiter‹ und ›mehr‹
Weshalb ist es so schwer, einem Alkoholabhängigen zu verdeutlichen, sein Leben ändern zu müssen, obwohl er oder sie doch dauernd feststellen könnte, dass es beruflich und persönlich so nicht weitergehen kann? Ohne einen konkreten Fall kennen zu müssen, wird die Antwort eines erfahrenen Beraters lauten: »Weil der Blick für die Realität erheblich getrübt ist und selbst bei klarer Situationseinschätzung die Kraft fehlen wird, sich zu ändern. Im Zustand des Berauschtseins ist die Welt für einen Süchtigen nicht nur wieder in Ordnung, sondern sogar äußerst rosig und angenehm.« Daher raten Suchttherapeuten häufig, solche Gespräche mit Betroffenen möglichst selten zu führen, weil die Chancen für einen Kurswechsel sonst eher minimiert werden. Die persönliche Stellungnahme eines ›trockenen‹ Alkoholikers innerhalb eines Gesprächs mit Jugendlichen bringt die ganze Problematik auf den Punkt: »Von mir und vielen anderen aus der Kreuzbund-Gruppe weiß ich, dass erst kurz vor dem Sarg der Kick zur Veränderung kam. Weder die Androhung meiner Frau, sich trennen zu wollen, was sie später auch tat, noch die schriftliche Abmahnung von der Arbeitsstelle haben mich von meinen Alkoholrationen fernhalten können. Schließlich glaubte ich ja bis zum Schluss, alles im Griff zu haben.«
Bei Menschen, die stark durch das süße Gift der Verwöhnung gezeichnet sind, sieht dies im Grunde nicht anders aus. Diese ›Sucht‹ lässt sich nur weniger auffällig leben. Es gibt keine ›Fahne‹ wie bei Trinkern und keine ›Einstiche‹ wie bei Junkies. Verwöhnte suchen – wie andere Abhängige – die Orte und Gelegenheiten, wo sie am ehesten zum Ziel kommen. So wie man in der Stammkneipe selbst bei Geldmangel nicht trocken bleiben muss, bieten sich Mütter trefflich als Servicestation für unterversorgte Verwöhnlinge an. Die Startsituation, besonders wenn im fortgeschrittenen Alter der Kontakt nicht mehr so nahe ist, pendelt diffus zwischen den Polen ›Bestellung‹ und ›Erwartung‹. Muss ich erst bitten, eine meiner vielfältigen ›Bestelltechniken‹ einsetzen oder kommen die Zuwendungsangebote von allein? Aber auch Väter sind in bestimmten Situationen ›nicht ohne‹, besonders wenn es um ihre Töchter geht.
Typische – und oft erprobte – Aufforderungstechniken zur Verwöhnung:
❯ Ungeschicklichkeit
❯ Schwäche
❯ Zeitmangel
❯ ein reuiger Augenaufschlag
❯ Fassungslosigkeit
❯ großer Appetit
❯ finanzielle Sorgen
❯ Liebes- oder Beziehungskummer
❯ Krankheit
❯ Dauerstress
❯ berufliche Probleme
❯ sich als Pechvogel darstellen
Typische, unaufgefordert eingebrachte Zuwendungsangebote:
❯ Lieblingsspeisen
❯ Kleider- und Wäschepflege
❯ Zimmer aufräumen
❯ Geldzuwendungen
❯ Anfragen nach dem Wohlergehen, oft per Telefon
❯ Autoüberlassung
❯ ›Ich-mach-das-schon-Angebote‹
Variationsreich und wohl platziert sind die Lockrufe von Groß und Klein nach Verwöhnung, immer daran orientiert, auf einfachste und kräftesparendste Weise durchs Leben zu kommen. Im
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