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Die verzauberten Frauen

Die verzauberten Frauen

Titel: Die verzauberten Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Schulz
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verschiedensten Orte der Erde niederfielen   … «
    »Warte mal! Wie war der Name, Bartholomäus? Auch ein Märtyrer. Seine Feinde haben ihm die Haut abgezogen. Irgendeine Geschichte von diesem Kerl erzählte mir damals auch meine Kollegin Karen Breitenbach. Ich hielt das nicht für wichtig.«
    »Abgezogene Menschenhaut? Clemens spricht vom tierischen Fell, das gegerbt werden muss, so es die Buchstaben und das Wort tragen soll .«
    »War es nicht so, dass die Peiniger dieses Bartholomäus’ eine Prophezeiung auf seine abgezogene Haut schrieben? Jedenfalls irgend so eine blutige Geschichte. Das Neue Testament ist ja randvoll mit Schlachten und Abschlachten. Das scheinen sich die Fanatiker von heute zum Vorbild zu nehmen.«
    »Meinst du, es gibt einen Zusammenhang zu unseren Themen?«
    »Lassen wir das erstmal. Ich werde mich damit beschäftigen. Denn dazu fällt mir noch was anderes ein, aber das führt jetzt zu weit.«
    »Ok. Ein Freund unternimmt 1834 mit Clemens einen Ausflug zum Starnberger See. In einem Brief an den Titularbischof berichtet er: Gegen Abend, als wir auf einem Kahn den See entlangfuhren, fing er an, ein einfaches, schönes Lied zu dichten und zu singen. Es hätten dergleichen Lieder bei ihm eine prophetische Bedeutung, es werde ihm sicher bald im Leben etwas widerfahren, so sei es ihm öfter ergangen. Vor allem im Jahr 1806, als er in Eberbach lebte. «
    »Erstaunlich«, musste Velsmann zugeben.
    »Und das Rad dreht sich weiter. Der Priester und Beichtvater am Sterbebett Brentanos, August van der Meulen, wird später Abt des elsässischen Trappistenklosters Oelenberg. Dort tauchte ja im Jahr 1946 die Chronika wieder auf, nachdem sie lange Zeit vom Erdboden verschwunden war, das hast du mir selbst erzählt. Er schreibt: Ohne es zu wollen und ohne meine Absicht durchwachte ich bei ihm einen Teil seiner letzten Nacht   – und diese Nacht hat mich reif gemacht   … Nach dem Tod Brentanos tritt der Vierzigjährige in den Orden von La Trappe ein! Clemens hat ihn offensichtlich dazu genötigt, er hat ihn reif gemacht , denn Clemens war insgeheim   – zumindest seit seiner katholischen Radikalisierung   – ein Anhänger der Trappisten und vor allem der Linie, die auf de Rancé zurückgeht. Der Name sagt dir doch was?«
    »Armand-Jean Le Bouthillier de Rancé! Natürlich! Das Monstrum! Er geisterte durch meine jugendlichen Träume! Rancé war ein Scharfmacher, ein Erzengel, um bei deinen Begriffen zu bleiben. Ich verstehe nicht, was Clemens mit einer solchen Gestalt zu tun haben kann!«
    »Aus dem Poeten der Liebe ist eben der Prophet der verschärftesten Gottesliebe geworden. Und als Brentano diese Konversion unternahm, stieß er automatisch auf das Werk de Rancés, der damals natürlich schon tot war. Aber seine Ideen lebten.«
    »Ich erinnere mich an ein Gespräch im Kloster Eberbach. Der damalige Verwalter, ein gewisser Rosenthal, sprach davon, dass de Rancé leibliche Nachkommen hatte, die bis ins Jahr 1801 nachweisbar seien. Er vermutete sogar, bis in die Gegenwart. Ein radikaler Mönch, ein Menschenhasser und Frauenhasser, der sich fortpflanzte!«
    »Klingt monströs.« Tibor schüttelte sich.
    »Dieser Kerl muss schon in seiner Jugend eine fiebernde Gestalt gewesen sein. An einem einzigen Tag bekehrte er sich. Danach gab es für ihn nur noch Selbstverleugnung, Demut und unbedingte Gottesliebe. Er hat irgendwann seinen eigenen Orden gegründet und ging dabei über Leichen. Er baute ihn zu einer Art Geheimpolizei aus, einer Gedankenpolizei, die jede Abweichung vom wahren Glauben hart bestrafte.«
    Von oben rief Andrea zum Essen.
    »Lass uns für heute aufhören«, seufzte Velsmann. »Wenn de Rancé ins Spiel kommt, beginnt die Sache tatsächlich spannend zu werden.«
    »Habe ich dich endlich am Wickel? Alles hängt zusammen? Alles was geschieht, hat mit dir zu tun? «
    »Wir machen eine Pause, auch du. Vor allem du! Du brauchst Abstand von der Sache. Ich muss mir das alles gründlich durch den Kopf gehen lassen. Wir befassen uns heute nicht mehr damit, sondern du verlässt dein Stübchen und gehst mal an die frische Luft, in Ordnung?«
    Tibor wollte widersprechen. Aber dann schwieg er und nickte nur.

    Der Schöpfer hatte ihm einen Schönheitsfehler mitgegeben. Der obere Teil seines Kopfes strahlte mit dem Haarkranz auf der edlen Stirn wie das Antlitz eines Engels. Der untere Teil fiel in sich zusammen. Das Kinn fliehend und spitz, die Stimme schlürfte die Worte wie ein unzufriedener

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