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Die verzauberten Frauen

Die verzauberten Frauen

Titel: Die verzauberten Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Schulz
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Frauenliebe und Männerliebe. Brentano scheint noch nicht zu wissen, für welche Position er steht. Dieser Zwiespalt seiner Seele treibt ihn um, als er in Eberbach das Pergament überschreibt.«
    »Du glaubst also, Brentano versuchte mit all dem, mit den Stichworten seines Lebens, den Schrecken seiner Zeit und dieser Prophezeiung zu bannen?«
    »Das war ein poetisches Konzept, das jeder romantische Dichter anwendete. Mehr Möglichkeiten besaßen die Dichter ja nicht. Jedenfalls ist Brentanos Thema zu der Zeit Liebe zu den Menschen oder Liebe zu Gott.«
    »Das habe ich in letzter Zeit schon ein paar Mal von ganz unterschiedlichen Leuten gehört. Männer und Frauen, Menschen und Gott, als Gegensatzpaare.«
    »Ich lese dir noch mal den Text von Clemens vor, der auf dem Pergament sichtbar wird, 136 Silben, darunter liegt die Warnung. Er taumelte zurück, und da er zu dem Leichnam seiner Geliebten kam, nahm er ihn auf seinen Schoß; auf seiner Geliebten lag das Buch aufgeschlagen, wo sie hingeschrieben hatte, dass sie ihn liebte, und wie er so auf das Buch weinte, sah er Zeilen zwischen den anderen erscheinen. Da stand sein ganzes Geschick geschrieben, und dass der Geist ein falsches Licht im Meer gemacht habe, nachdem die Jungfrau geschwommen und ertrunken. Da weinte er immer mehr und ritzte sich die Adern und schrieb ein kurzes Lied von seinem Untergang. «
    »Klar muss dieser Text für ihn was Besonderes gewesen sein, wenn er ihn auf dem Pergament verewigte   – und nicht irgendeinen anderen. Aber du behauptest ja, darunter würde ein verborgener, zweiter Text sichtbar werden!«
    »Den kriegt man mit einer Versuchsanordnung auf der Basis der Buchstabensequenzen des Textes. Das funktioniert tatsächlich wie ein Code. Ich habe die Textzitate in zweidimensionaler Form angeordnet, gemäß dem üblichen, zweidimensionalen, metrischen System nach Euklid. Du weißt schon, der antike Großmeister der Mathematik.«
    »Ich weiß   …«
    »Ich habe mir noch ein anderes Werk angesehen, die Romanzen vom Rosenkranz , 1803 bis 1812 geschrieben   –«
    »Moment! Jetzt verlassen wir also deine Basis? Du hast doch behauptet   –«
    »Die Romanzen vom Rosenkranz , das ist das zweite Werk, in dem seine zentralen Themen erörtert werden. Nur dieser Text kommt neben der Chronika für eine Versuchsanordnung infrage.«
    »Und warum?«
    »Weil mein Computerprogramm neben der Chronika nur in diesem Werk miteinander in Bezug stehende Worte, Silben und Buchstaben erkennt, die einen zweiten Sinn ergeben.«
    »Aha.«
    »Die anderen Texte seines Werkes, die ich überprüft habe, indem ich sie im Rechner in zweidimensionale Buchstabenfolgen aufgelöst habe, ergaben kein Ergebnis. Sie sind für die Suche nach einem Text im Text bedeutungslos, weil Clemens einfach nichts hineingeschrieben hat.«
    Velsmann konnte nur nicken.
    »Clemens hat übrigens die ersten sieben Romanzen an den Maler Runge geschickt, der sie überarbeiten sollte   …«
    »Sieben, ist das ein weiteres Stichwort?«
    »Diese Zahl taucht jedenfalls in der Chronika , wie übrigens auch in seinem gesamten Werk so auffällig oft auf, dass man nicht darum herumkommt. Allein in der Chronika über einhundert Mal.«
    »Der Dichter mit der Sieben, so nannte ich Brentano zu der Zeit, als mein Großvater mir seine Märchen vorlas.«
    »Weiter geht’s. Clemens schreibt: Belastet mit dem Fluch der Erbsünde und der Schuld der eigenen Vorfahren, niedergedrückt durch Triebhaftigkeit, steht der Mensch in steter Gefahr, den Mächten des Abgrunds, wo die ›Brut des Fluches wohnt‹ zum Opfer zu fallen. Das ist nichts anderes als die Angst vor dem und die Anerkennung des Verhängnisses, der Prophezeiung, die Clemens durch seine Handschrift bannen will!«
    »Mmh.«
    »Dann kommen wir zum wichtigsten Stichwort. Anna Katharina Emmerich . Das ist   – nach Sophie   – die entscheidende Frau im Leben des Dichters, der Gegenpol, wenn man so will.«
    »Warum?«
    »Emmerich verkörpert einfach die andere Seite. Sie ist übrigens am gleichen Tag wie er geboren, am 8.   September, allerdings vier Jahre früher. Eine stigmatisierte Nonne. 1818 lässt er alles, was er bis dahin in seinem Leben aufgebaut hat, stehen und liegen und besucht sie. Sie trägt die Wundmale des Herrn an Händen, Füßen, an der Seite und auf der Stirn. Er wird sechs lange Jahre nicht mehr von ihrem Bett weichen.«
    »Anna Katharina Emmerich«, sagte Velsmann und notierte diesen Namen.
    »Eine echt krasse Frau. Sie nimmt

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