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Die verzauberten Frauen

Die verzauberten Frauen

Titel: Die verzauberten Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Schulz
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ab 1813 mindestens vier Jahre lang keine Nahrung zu sich, nur reines Brunnenwasser. Das ist erwiesen! Sie erfährt Entrückungen aus dem irdischen Leib, sie spürt, wie sie als Märtyrerin im Jahr 1310 öffentlich verbrannt wird.«
    »1310 wurde der Templerorden aufgelöst. War diese Märtyrerin Templerin?«
    »Weiß ich nicht. Darum geht es wohl bei Brentano nicht. Aber Märtyrerin. Sie muss die Kirche beleidigt haben. Weiter geht es hier. Ein Brief an Luise Hensel, eine junge Frau, die er vor der Begegnung mit Emmerich begehrte. Eine aufregende Passage lautet: Aber es muss das tierische Fell ja gegerbt werden, so es die Buchstaben und das Wort tragen soll. «
    »Er drückt sich merkwürdig aus, unser Freund.«
    »Soll ich den Satz noch mal wiederholen?«
    »Nein, nein, ich habe schon verstanden. Das erinnert natürlich an die Morde auf der Loreley und in Fulda. Aber ehrlich gesagt kann ich deiner Methode, mir Zitate um die Ohren zu hauen, noch immer eine gewisse Willkür nicht absprechen.«
    »Es sind eben die Zitate, die in jeder Hinsicht im Zentrum von Brentanos Leben stehen. Er hat auf sie gestarrt und sie zum Leuchten gebracht.«
    »Also gut.«
    »Ich wollte dich zunächst nur für diese zentralen Stichworte im Leben Brentanos sensibilisieren.«
    »Nur zu. Andrea blutet ja nicht mehr.«
    »Was? Ach so!   – Dafür umso mehr die Stigmatisierte! Clemens liest Emmerich aus den Schriften des Mystikers Johannes Tauler vor, geboren 1310 in Straßburg, der dafür berühmt war, Predigten für Beginen zu schreiben.«
    »Beginen? Beginen? Breitenbach redete einmal in meiner Gegenwart von Beginen, das waren weltliche Nonnen mit starkem sozialem Engagement. Und das Jahr 1310, Tod der Märtyrerin. Steht dieses Jahr eigentlich im Text der Prophezeiung?«
    Tibor schaute nach. »Nein. Aber wir sind jetzt im Jahr 1809. In einem Brief an seinen Bruder Christian schreibt Clemens: Schon jetzt kann ich diese schicksalhaften Blätter nicht ohne Schaudern ansehen, denn alles, was bis jetzt verkündet war, ist pünktlich eingetroffen, das Ungeheuere aber steht bevor! «
    »Kryptisch. Was meint er damit?«
    » Alles, was bis jetzt verkündet war, ist pünktlich eingetroffen, das Ungeheure steht bevor! Er kennt zu diesem Zeitpunkt sicher schon das Pergament. Und er blickt auf sein bisheriges Leben zurück. Er ist geprägt von Prophezeiungen. Er kämpft sein Leben lang gegen Weissagungen und Verkündigungen und Mahnungen.«
    »Seit ich als Junge im Kloster Eberbach war, habe ich selbst solche Dinge gespürt.«
    »Clemens findet immer wieder Umschreibungen für diese Vorstellung. 1819 gibt es wieder eine seltsame Briefstelle. Er schreibt an seine Schwester Gunda: Welches Recht kann ein Unglücklicher vor einer Untersuchungskommission finden, welche ihn hasst und ganz aus Gliedern eines geheimen Ordens besteht! Sie treten auf wie Erzengel. «
    »Geheimer Orden. Erzengel.   – Woran erinnert mich das? Im Zusammenhang mit dem Mord in Fulda bekam ich einen anonymen Brief mit einer Drohung. Der aus Zeitungsschnipseln herausgeschnittene Schluss war als Unterschrift gedacht. Ich fand das damals eher melodramatisch. Die Unterschrift lautete: Dein ganz persönlicher Erzengel.«
    »Was wurde daraus?«
    »Nichts. Es verlief im Sande. Ich wurde dann von den aktuellen Ermittlungen abgezogen.«
    »Siehst du!«
    »Was meinst du?«
    »Alles fügt sich irgendwie zusammen. Es gibt Worte und Gedanken, die beschreiben eine magische Kurve, sie umhegen ein Leben wie einen Kultplatz, sie tauchen immer wieder auf wie Verwandte, oder was weiß ich. Alles gehört zusammen.«
    » Alles gehört zusammen. Alles, was geschieht, hat mit dir zu tun .«
    »Was meinst du?«
    »Ein Satz, den ich als Junge im Kloster Eberbach hörte. Aber heute klingt das in den Ohren eines alten Ermittlers aus dem letzten Jahrtausend wie Kauderwelsch.«
    »Noch immer skeptisch?«
    »Skepsis ist das wichtigste Handwerkszeug eines Polizisten!«
    »Oder zierst du dich nur noch zum Schein, um deinem Sohn nicht recht geben zu müssen?«
    »Das wird’s sein. Mach weiter.«
    »Clemens notiert, dass Emmerich von einem Prophetenberg erzählt. Es war, als reiche man dem Bartholomäus erfüllte Offenbarungen und als empfange er neue. Hierauf sah ich plötzlich aus dem weißen See eine Quelle wie einen Springbrunnen senkrecht in die Höhe springen, sehr hoch wie ein Kristallstrahl, und er zerteilte sich oben in seine Strahlen und Lichttropfen, welche in ungemein weitem Bogen an die

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