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Die verzauberten Frauen

Die verzauberten Frauen

Titel: Die verzauberten Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berndt Schulz
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verlieren Sie den Verstand?«
    Velsmann fühlte sich hilflos. Alles kann in einem lächerlichen Licht erscheinen, wenn es keine Beweise gibt und es jemand darauf anlegt, es zu zerfetzen, dachte er.
    »Antworten Sie mir, Inspektor!«
    »Ich habe mal als Junge   …«, stotterte Martin Velsmann. »Ich habe mal als Junge ein Märchen gehört, es spielt im Rheingau.«
    Pfedder beobachtete ihn scharf. »Wenn Sie nicht gerade sehr eingespannt wären, würde ich Sie in den Urlaub schicken. Sie scheinen ihn nötig zu haben.«
    »Ich habe keinen Urlaub nötig. Es ist nur ein bisschen viel im Moment. Mein Privatleben gerät durcheinander.«
    »Soll ich jemand anderen an den Fall setzen, Velsmann?«
    »Nicht nötig. Ich bin ja handlungsfähig.«
    »Das will ich hoffen! Denn uns stehen heiße Tage bevor. Die Medien beginnen, sich mit der Angelegenheit zu beschäftigen.«
    »Auch das noch«, sagte Karen Breitenbach.
    »Können Sie sich vorstellen, Velsmann«, blaffte Pfedder, »dass Sie mit all dem, was mit dieser angeblichen Prophezeiung einhergeht, mit diesem Wisch, auf den ein Brentano irgendwas gekleckst hat, die Menschen verunsichern? Und dass Sie mit dem Hervorkramen alter Mordfälle eine Art aktueller Protokollant werden, und dass sich aus diesem Grund ein Täter findet, der es vielleicht für chic hält, auf jeden Fall aber für medienwirksam, in diesem Stil weiterzumorden? Lassen Sie den Krempel doch endlich ruhen! Mein Gott, der Mord auf der Loreley, mag er auch noch so blutig gewesen sein und die Zeitgenossen geschockt haben, ist mehr als zweihundert Jahre her!«
    »Wir sind alle Gefangene unserer frühen Prägungen, Herr Pfedder. Sie auch. Ich weiß nur nicht, was Sie geprägt hat. Jedenfalls nichts, was man als Verständnis bezeichnen kann.«
    »Sie sind nicht bei der Polizei, um Ihre frühkindlichen Prägungen aufzuarbeiten, Velsmann! Mein Gott, was ist denn in Sie gefahren!«
    »Ich begreife das als einen Schatz von Erinnerungen, Herr Pfedder, der mich befähigt, Zusammenhänge zu sehen, wo andere dies eben nicht tun.«
    »Geschenkt!«
    »Ich werde den Mord in Fulda aufklären, daran besteht kein Zweifel. Und den dreifachen Mord auf der Loreley gleich noch obendrauf, denn das eine hat mit dem anderen zu tun, das ist sicher. Und zwar nicht deshalb, weil sich ein Täter auf meine Untersuchungsergebnisse stürzt. So engstirnig können Sie doch nicht sein, dass Sie das glauben! Nein, hier geht es um etwas ganz anderes, und wenn es sein muss, mache ich es im Alleingang. Und dabei werde ich herausfinden, was es mit dieser verdammten Prophezeiung auf sich hat und wer in meine Wohnung eingebrochen ist und wer mir droht und warum. Und alle werden staunen, was ein kleiner Inspektor alles aufzudecken in der Lage ist.«
    Pfedder stieß Luft aus. »Im Alleingang machen Sie gar nichts! Damit das klar ist!«
    »Ich werde tun, was ich für richtig halte, wenn ich keine Unterstützung bekomme!«
    »Klären Sie einfach nur unseren aktuellen Mordfall auf, sonst gar nichts!«
    »Aber manche Knoten sind eben dicker als die Polizei erlaubt«, sagte Velsmann leise.
    »Küchler, bringen Sie uns auf den neuesten Stand«, bat Pfedder.
    Hauptwachtmeister Küchler tat das präzise. Velsmann, der die Fakten kannte, ließ seine Gedanken schweifen. Es gab so vieles, was unter den Tatsachen verborgen lag, Dinge, die schwer wogen und geborgen werden mussten. Das konnte er allein nicht tun. Und doch musste er es, denn er konnte sich niemanden von seinen Kollegen vorstellen, der in den Verdacht kommen wollte, an einem Hirngespinst mitzuarbeiten. Mit Ausnahme von Karen Breitenbach. Vielleicht.
    Velsmanns Blicke wanderten zu ihr. Sie saß gedankenverloren mit übereinandergeschlagenen Beinen am Fenster und formte irgendetwas mit den Händen. Einen Kuchenteig. Eine glitzernde Kugel. Ein Geheimnis aus Wolken.
    Velsmann erhaschte ihren Blick. Ihre Augen lächelten. Dann wandte sie sich ab und sah aus dem Fenster.
    Küchler referierte.
    Gibt es Nachfahren der Opfer und Täter des scheußlichen Mordes auf der Loreley, dachte Velsmann. Das ist die entscheidende Frage. Haben die Täter überlebt, haben die Opfer überlebt. Ist das denkbar?
    Was würde daraus folgen?
    Das es eine Dualität in der Welt gibt. Mindestens seit dem Dreißigjährigen Krieg. Wahrscheinlich seit Anbeginn. Genealogien von   – ja von was? Von Wesen, die an einer gemeinsamen Sache interessiert sind? Was für eine Sache? Die Warnung? Das Flehen von Beginen, die Drohung von finsteren

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