Die verzauberten Frauen
Velsmann«, sagte Pfedder kurz angebunden.
Als Velsmann die Tür hinter sich geschlossen hatte, räusperte sich der Dienststellenleiter. »Ich ziehe Sie von dem Mordfall ab.«
»Das ist nicht Ihr Ernst!«
»Das ist mein voller Ernst. Wir sind höchst beunruhigt. Sie sind zu sehr involviert in die Angelegenheit. Damit bringen Sie sich unnötig in Gefahr. Sie lassen sich von Ihren Emotionen mitreißen, verlieren den Überblick.«
»Das ist doch Unsinn!«
»Ich weiß, was ich tue!«
»Ist das Ihre ganz persönliche Entscheidung, Herr Pfedder?«
»Nun, lassen Sie es mich so sagen – ich reagiere auf berechtigte Kritik an Ihren Vorgehensweisen.«
»Wer kritisiert mich?«
»Das muss Sie nicht kümmern.«
»Und Sie haben jemand Geeigneteren für diesen Fall in petto?«
Pfedder schluckte. »Das sehen wir dann schon. Ich suspendiere Sie ja nicht vom Dienst. Ich teile Sie nur anderen Fällen zu. Zunächst wird Frau Breitenbach, die ja in alles eingeweiht ist, die Ermittlungen leiten.«
»Frau Breitenbach ist unerfahren. Die Gefahren, die Sie ihr zumuten, sind größer als wenn ich weiterermittle. Das sollten Sie sich klarmachen.«
»Argumentieren Sie nicht, Velsmann. Sie sind ab sofort draußen. Ihr Büro behalten Sie natürlich. Frau Breitenbach bekommt einen eigenen Raum. Küchler wird ihr zugeteilt.«
Velsmann stand mit verstocktem Gesicht auf. »Na dann, Mahlzeit«, sagte er.
Amendt rief ihm etwas nach. Velsmann hörte nicht hin.
In seinem Büro blickte er aus dem Fenster in den Hof. Unten fuhren langsam zwei Gefangenentransporter ein. Über den Dächern ging gerade die Sonne unter.
Nein, dachte Martin Velsmann. Das muss mich wirklich nicht kümmern. Mein Leben hängt nicht daran.
Er verließ das Gebäude und fuhr in die Sebastianstraße.
Der Feierabendverkehr war dicht. Velsmann hatte Zeit, seine Gedanken schweifen zu lassen.
Was ist eigentlich los, dachte er. Etwas gerät doch im Moment völlig aus den Fugen. Er hatte das Gefühl, nicht mehr Herr über sein Leben zu sein. Seine Frau saß weinend bei ihrer Schwester. Seine eigene Wohnung war von Fremden durchwühlt worden. Seine Vorgesetzten misstrauten ihm. Am Nachthimmel braute sich etwas zusammen. Die Atomkriegsangst nahm langsam gigantische Ausmaße an. Und in einer Wohnung am Petersberg hatte er das Grauen mit eigenen Augen gesehen.
Wir müssen den Alptraum gar nicht erwarten, dachte er, wir sind bereits mittendrin. Und welche Rolle spiele ich eigentlich dabei?
Seine Wohnung war nicht mehr versiegelt. Er konnte sie betreten. Die Spurensuche war offensichtlich beendet. Aber die Spuren waren noch da.
Velsmann rief aus der Wohnung Spengler an und ließ sich das bestätigen. Ja, er könne aufräumen.
Martin Velsmann rief in der Wohnung von Andreas Schwester Magdalena an, aber niemand meldete sich. Er ließ sich in einen Sessel fallen und blickte sich um. Überall in den drei Zimmern verstreut lagen Kleider, Bilder, Bücher, Blumenvasen auf den Böden. Sämtliche Regale waren leer geräumt, die Betten herausgerissen und aufgeschlitzt. Daunenfedern vibrierten ganz leicht auf den Möbeln im Schlafzimmer.
Er ging ins Bad und besah die Scherben.
Was hatte der Einbrecher bloß gesucht!
Martin Velsmann fühlte sich nicht in der Lage aufzuräumen. Er setzte sich wieder in den Sessel. Nach einer Weile schlief er ein.
Er träumte von Angreifern, die durch den Nachthimmel kamen. Außerirdische! Fliegende Untertassen, die durch die Wolken brachen! Der Träumende wusste, er musste die Feinde rechtzeitig hören und sehen, um sich in Sicherheit zu bringen. Gegen sie kämpfen konnte er nicht.
Als er wieder erwachte, war es draußen dunkel. Er stürzte ans Fenster. Der Himmel war von hellen Wolken bedeckt, die ein Wind vorbeitrieb. Velsmann suchte den Himmel nach Feinden ab. Jedes Raumschiff brachte tödliche Gefahren. Er hörte etwas brummen. Aber es war nur der Kühlschrank, der offensichtlich einmal abgetaut werden musste.
Jetzt ist es soweit. Jetzt haben sie dich, dachte er.
Martin Velsmann rief erneut Andrea an. Er sprach ganz ruhig mit ihr. Wenn man das Private und das Öffentliche nicht mehr trennen kann, sagte er, wird es kritisch. Davor müssen wir uns schützen. Er erzählte ihr davon, dass Pfedder ihn von dem Mordfall abgezogen hatte. Andrea nahm es positiv auf.
Sie verabredeten sich für den nächsten Morgen zum Frühstück im Café des Vonderau-Museums.
Velsmann legte auf. Er war noch immer nicht in der Lage, sich mit der Wohnung zu
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