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Die vier Söhne des Doktor March

Die vier Söhne des Doktor March

Titel: Die vier Söhne des Doktor March Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Aubert
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zweimal, ganz langsam, und fängt an, sehr heftig zu atmen, man hört ein lautes Geräusch von Stoff, was macht er denn? Ach, wie dumm ich bin, natürlich, oho, das ist ein starkes Stück! »Schlampe!« Er sagt das ganz deutlich, nicht mit einer Kinderstimme, nein, das ist eine Alptraumstimme, die murmelt: »Schlampe.«
    Die Stimme von neulich, zischend, gequält, wie gewrungenes Leinen, das man plötzlich losläßt. Jetzt beruhigt er sich, er knackt mit seinen Fingern, atmet tief ein, faltet seine Papiere wieder zusammen, versorgt sie. Geräusche von schnellen Schritten, die Tür wird wieder geschlossen. Ende unserer spannenden Sendung »Mord, live dabei.«
    Jetzt weiß ich, daß er wirklich die Stimme eines Verrückten hat und diese nicht nur nachgemacht hat, um mir Angst einzujagen. Er muß also die meiste Zeit in einem abnormalen Zustand sein. Ein Ungeheuer, das sich in einem jungen Mann verbirgt, mit einer schrecklichen Stimme, schrecklichen Trieben, schrecklichen Plänen, ein Ungeheuer, das den ursprünglich anständigen Jungen beinahe ganz verschlungen hat.
    Morgen um 8 Uhr fahren wir zum Friedhof. Der Vater von Sharon wird auch dabeisein. (Ihre Mutter ist immer noch im Krankenhaus, sie hat einen Beckenbruch und kann sich nicht bewegen.)
    Ich habe einen Entschluß gefaßt: Ich werde ihm antworten. Ich muß bei seinem Spiel mitspielen, um ihn bezwingen zu können. Mein Vater erklärte mir das fürs Judo: »Man muß sich der Kraft des Gegners bedienen. Ihm scheinbar helfen, um ihn dann aus dem Gleichgewicht zu bringen.« Allerdings hat er selbst nie Judo gemacht.
    Tagebuch des Mörders
    Köstlicher Spaziergang auf dem Friedhof. Weißer Schnee, der die Spuren des Trauerzugs bewahrte. Viele Blumen, viele Leute, so ein trauriger Unfall, die arme Familie, eine richtige Pechsträhne! Wir, tadellos, schön, so korrekt, wie vier Frischverheiratete. Verheiratet mit dem Tod. Alle vier so blaß, aber dennoch kräftig, sehr aufrecht während der ganzen Feier .
    Mama war erschöpft, wir haben sie gestützt. Papa hat aus voller Kehle gesungen.
    Auch die Eltern von Karen waren da. Es hat ihnen nicht gereicht, ihr eigenes Kind zu beerdigen, sie müssen auch noch kommen, wenn andere Leute ihres begraben! Und der Papa von Sharon in einem Rollstuhl, mit einer Krankenschwester, die ihm eine Spritze geben mußte. Und die zwei Polizisten, die sich mit Karens Fall beschäftigen. Die haben mir gar nicht gefallen, diese  zwei Polizisten.
    Abgesehen davon ging alles gut. Ich spürte die Schneeflocken auf meinem Haar. Ich mag das. Sie waren sehr vorsichtig mit dem Sarg, helles Holz, wie für Karen, schönes weißes Holz für die Jungfrauen .
    Wir senkten mitleidvoll und traurig den Kopf, und der Priester betete sein übliches Blabla herunter. Jeanie hatte den Kopf gesenkt, auch sie weinte natürlich, eine gute Gelegenheit, ihre große, rote Nase vorzuzeigen. Du verbringst dein Leben damit zu weinen, Jeanie-Schatz, willst du, daß ich dich fest in meine Arme nehme, um dich zu trösten?
    Der Himmel war ganz schwarz. Es blitzte. Ich mag Blitze nicht. Es war fast wie am Abend, dabei war es noch früh.
    Wie bei den Stürmen, von denen in der Bibel die Rede ist, ich sehnte das Ende herbei. Ich nahm wie die anderen etwas Schnee und warf ihn in das Loch, es machte platsch, richtig platsch, das war alles. Darunter liegt Sharon, sie wird nie wieder da herauskommen, sie wird nie achtzehn Jahre alt werden, oder zwanzig, sie wird für immer so bleiben, wie sie war, mit ihrem strahlenden Lachen und ihrem schwarzen Haar, eingezwängt in die Kiste, völlig steif, ob sie sie mit ihrem roten Anorak begraben haben?
    Danach sind wir gegangen. Wir gingen am Grab des armen kleinen Zack vorbei, und ich beobachtete, wie Mama einen kleinen, traurigen und verstohlenen Blick darauf warf. Es lagen frische Blumen auf dem Grab. Ich hatte Lust, sie zu zertreten. »Nicht gerade warm«, sagte Papa. »Ein trauriger Tag«, sagte Mama. »Armes Kind«, sagte Mark. »Das hätte niemand vermutet«, sagte Clark. »Habt ihr ihren Vater gesehen, den Ärmsten?« sagte Jack. »Sie war so liebenswert«, sagte Stark.
    Jeanies Tagebuch
    Als ich heute abend, während sie den Aperitif nahmen, nach oben ging, war die Nachricht bereits da. Ich schrieb quer über das Blatt: Du mochtest sie gerne, Sharon, nicht wahr?
    Ich hasse diese verkommene Gegend, diese Kälte und diese Ruhe. Diese Ruhe vor allem, die verhindert, daß man die Schreie hört. Man hat den Eindruck, daß es sowieso

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