Die vier Söhne des Doktor March
nichts nützt, sich zu wehren, daß man verurteilt ist, egal was man tut. Es ist merkwürdig, ich formuliere immer besser, je voller dieses Heft wird. Auf jeden Fall kommt es mir so vor. Wie auch immer, man spricht gerne über sich.
Bei der Beerdigung habe ich geweint. Ich fühlte, wie meine Tränen auf meinen Wangen gefroren. Die vier Jungs waren schweigsam. Feindselig. Ich weiß nicht weshalb, aber ich dachte: feindselig. Auf dem Rückweg gingen wir an einem Kindergrab vorbei, und ich las die Inschrift im Marmor: »Zacharias March, in seinem zehnten Lebensjahr der Liebe seiner Nächsten entrissen, er ruhe in Frieden.« Die Alte wurde unruhig, als sie vorbeiging, sie führte die Hand an ihr Herz. Die Jungs gingen weiter, ohne auch nur den Kopf umzuwenden. Ob sie ihn alle vier verabscheuten?
Ich bin gespannt, was er tun wird, wenn er sieht, was ich in sein heiliges und geliebtes Tagebuch geschrieben habe. Und das ist noch nicht alles, mein Guter!
Ich denke wieder an die weißen Rüben, sehr geheimnisvoll, wie Papa zu sagen pflegte. Heute abend habe ich beschlossen, eine Runde durch das Haus zu machen. Bloß ein wenig umsehen. Ich warte, bis alle schlafen.
Ich habe den Wäschekorb durchsucht und eine fleckige Jeans gefunden. Aber gestern hatten alle eine Jeans an, natürlich die gleiche, diese Marke mit den Ziernähten, die die Jugendlichen mögen. Sie haben wirklich haufenweise Jeans. Selbst der Doktor hat welche. Und sogar die Alte. Fast wie in der Werbung. In diesem Haus ist sowieso alles wie in der Werbung. Als ob sie jederzeit den Besuch eines Reporters erwarten und alles sauber sein müßte.
Kein Laut mehr. Ich werde losgehen. Ich nehme die Knarre und das Tonband mit, für alle Fälle .
Ich werde die Ski genauer unter die Lupe nehmen, vielleicht weisen sie irgendwelche Spuren auf.
Tagebuch des Mörders
Ich bin in meinem Zimmer. Ich höre Geräusche draußen. Jemand läuft im Flur herum. Ich kann mir gut vorstellen, wer dieser Jemand sein könnte … Eine Leichtsinnige, sehr wahrscheinlich. Aber beruhige dich, es ist nicht für heute abend vorgesehen. Schnüffle ruhig, mein Mädchen, pack die Gelegenheit beim Schopf! Du hast das Grab deines spionierenden Vorgängers ja gesehen, wie erfolgreich er war! Sie wird mit Sicherheit in der Garage nachsehen.
Ich mochte Sharon nicht. Ich mag überhaupt niemand. Ich mochte noch nie jemand. Ich bin kein Schwächling, verstehst du? Es ist nicht der Mühe wert, mein Tagebuch mit widerlichen Botschaften zu besudeln. Ich verbiete dir, das zu tun, du schwachsinnige Alte, du dicke Kuh, du verstehst überhaupt nichts!
Ich habe Durst. Du hoffst, daß ich dir folge, was, und daß du mich in die Enge treiben kannst, hältst du mich für einen Anfänger? Ich bleibe hier, im Warmen, während du deine Zeit damit vergeudest, dich im Haus herumzutreiben.
Hast du nie daran gedacht, daß ich der Teufel sein könnte?
Jeanies Tagebuch
Pun, was für eine Entdeckungsreise! Ich habe die Ski untersucht, sie sind alle zerkratzt und abgefahren, nichts damit anzufangen. Keine rote Farbe, die einen der Jungen gebrandmarkt hätte. Schade, dies ist eben kein Kriminalroman.
Auf dem Rückweg bin ich in der Bibliothek vorbeigegangen, um einen Schluck aus der Brandyflasche vom Doktor zu nehmen. Das ist ein Zimmer, das ich gar nicht mag. Dunkel, muffig. Und es riecht nach Tabak. Monsieur arbeitet dort.
Ich habe mich an seinen Schreibtisch gesetzt. Ein schöner Schreibtisch aus schwarzer Eiche.
Ob Sie es glauben oder nicht, es war die gleiche Geschichte wie mit dem Mantel. Ich muß dafür prädestiniert sein! (Das ist ein schickes Wort, das ich im Knast gelernt habe. Michele sagt immer: »Wenn ich meine Kinder umgebracht habe, dann nur deshalb, weil ich dafür prädestiniert war.« Arme Michele, sie hat noch zehn Jahre vor sich.)
Ich fahre mit meiner Hand über und unter die Schreibtischplatte, ich mag das Holz. Ich öffne die Schreibmappe, streiche über die rosa Schreibunterlage, die den Abdruck einiger unlängst geschriebener Zeilen trägt (ich frage mich, ob die Leute das je lesen werden und ob sie finden, daß ich gut erzähle), ich schaue genauer hin, ich mag es, diese Spuren auf Schreibunterlagen zu lesen, sie sind wie geheime Botschaften.
Und ich wurde nicht enttäuscht, muß ich sagen. Nur einige Worte: »So wie es deine sein wird.« Das Ende eines Briefes. Das Ende seines Briefes. Er hat ihn sorgfältig getrocknet, bevor er ihn mit nach oben nahm. Er ist heute nachmittag
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