Die vier Söhne des Doktor March
so viele Leute anrufen. Der Doktor schenkt sich einen Brandy nach dem anderen ein und raucht, ohne irgend etwas zu tun, ich selbst flenne. Die Polizisten sagten, das sei wirklich ein dummer Unfall gewesen, und verzogen sich dann, heute ist Sonntag!
Ich ging nach oben und fand seinen Artikel. (Seinen »Artikel«, das klingt wie bei einem Reporter!) Weil ich weinte, habe ich Flecken darauf hinterlassen, aber das ist mir egal. Wenn er mir ein Schlafmittel geben konnte, dann kann er noch viel Schlimmeres tun. Ich glaube, es war im Kräutertee. Und ich mißtraute seinem Geschenk, dem Gin, wie dumm ich bin! Ich sehe vor lauter Tränen gar nichts mehr, ich schreibe ganz schief.
Sie haben die Ski im Flur gelassen, ich muß gehen und sie in die Garage räumen, die von Sharon sind auch dabei.
Es ist meine Schuld, ich weiß es, und wenn ich ihren Namen ausspreche, »Sharon«, muß ich noch mehr weinen. Ich muß aufhören, sonst werde ich verrückt. Ich werde ein Gläschen trinken und mich hinlegen, die Tür abschließen und mit der Knarre schlafen. Kommt Zeit, kommt Rat. Ich muß ihn finden und töten.
Ich habe die Ski in die Garage gebracht und an die hintere Wand gelehnt. Dort, wo die alten Arbeitsklamotten liegen. Zwischen den alten Kleidern lag eine Hose. Eine karierte Hose. Voll mit Ölflecken, aber kein Blut. Er hat also gelogen. Und während ich ihm glaubte, hatte er genügend Zeit, seine Hose zu reinigen. Er beeinflußt mich wie ein Kind. Er lügt, wenn er den Mund aufmacht. Ich muß lernen, zwischen den Zeilen zu lesen.
Die Ski von Sharon sind kleiner als die anderen. Ich habe sie ein wenig an die Seite gestellt. Einer ist zerbrochen. Übermorgen wird sie beerdigt.
Heute morgen ist es düster hier. Die Kinder schleichen im Haus herum. Niemand redet. In der Nacht hatte ich Alpträume. Ich habe geträumt, daß jemand mich mit einem Leintuch erstickt. Ich wachte schreiend und mit schweißnassen Haaren auf. Ich ging nach oben, um nachzusehen, aber es war nichts weiter. Zum Mittagessen habe ich Hühnersuppe gemacht.
Tagebuch des Mörders
Durch die angelehnte Tür habe ich Jeanie beim Kochen zugesehen. Ich sah ihre roten Hände, ihre Schürze, ihre Füße, ihre dicken Beine. Ich habe keinen Hunger.
Wir sind alle sehr müde. Wir müssen Atem schöpfen. Die Ereignisse haben sich in der letzten Zeit überschlagen. Wir sind schließlich keine Maschinen, nicht wahr? Ich habe von Sharon geträumt, sie lag unter einem weißen Tuch, sie schrie. Ich schlug auf sie ein, bis sie schwieg.
Es schneit nicht mehr. Es ist sehr dunkel, obwohl es kaum drei Uhr ist. Übermorgen wird Sharon beerdigt. Wir haben einen schönen Kranz aus roten und weißen Blumen bestellt, mit einer Inschrift: »Unserer lieben Sharon«. Für mich kann die Beerdigung gar nicht früh genug stattfinden. Erstens, weil ich dann meinen schönen Anzug anhaben werde, und zweitens, weil man am Sarg vorüberzieht, um Erde darauf zu werfen, und Choräle singt. Ich liebe das. Die Eltern von Sharon waren sich gar nicht einig, ihre Mutter wollte eine jüdische Zeremonie, Mamas Bruder eine katholische Beerdigung; schließlich mußte ihre Mutter nachgeben . du siehst, selbst im Tod macht dieses Mädchen nur Ärger.
Ich weiß nicht, weshalb ich fortfahre, mit dir zu sprechen, Jeanie. Aus reiner Gutherzigkeit, zweifellos. Ich mag es übrigens nicht besonders, wenn du die Notizen aus meinem Tagebuch mitnimmst. Ich rate dir, das nicht noch einmal zu tun.
P. S. Ich habe das Datum deines Todes festgelegt.
Jeanies Tagebuch (Tonbandaufzeichnung)
Mir ist zum Kotzen. Hm, hm, wenn ich beschlossen habe, dieses Tonband zu benutzen, dann nur, hm, hm, weil es praktischer ist, denn ich kann den Stift nicht halten. Außerdem lassen sich Tonbänder löschen. Abgesehen davon will ich ihm seinen Streich heimzahlen und muß folglich lernen, wie man mit diesem Gerät umgeht.
Hier meine Idee: Ich werde das Tonband im Zimmer der Alten verstecken und aufnehmen, was sich dort abspielt. Vielleicht wird er etwas sagen oder was weiß ich, scherzen oder husten, irgendwas, was ihn verraten könnte .
Ich bin zurück, Entschuldigung, aber ich mußte kurz einen kleinen Schluck zum Aufwärmen trinken.
Es ist komisch, mit solch einem Apparat zu sprechen, man fühlt sich ziemlich dumm. Hallo, Tonband, hörst du mich? Das bringt mich zum Lachen … Auf geht's, ins Bett. Gute Nacht, Scheißtechnik.
Es ist komisch, daran zu denken, daß ich jetzt lebendig bin und bald tot sein werde. Hab' mir also den
Weitere Kostenlose Bücher