Die vierte Hand
Verfassung, um in Wisconsin oder sonstwo einen Heiratsantrag zu machen. Er kochte Kaffee und brachte der Schlafenden ein Glas kalten Orangensaft ans Bett.
»Wie das hier aussieht...«, sagte sie bald darauf, während sie nackt durch seine Wohnung marschierte. »Es sieht aus, als hättest du Sex gehabt!« Sie zog die Laken und die Kissenbezüge ab; sie fing an, die Handtücher aufzusammeln. »Eine Waschmaschine hast du ja wohl, oder? Ich weiß, du mußt ein Flugzeug kriegen - ich mache hier sauber. Was ist, wenn die Frau ja sagt? Und wenn sie mit dir hierherkommt?« »Das ist unwahrscheinlich. Ich meine, es ist unwahrscheinlich, daß sie mit mir hierherkommt, auch wenn sie ja sagt.«
»Hör auf mit deinem ›unwahrscheinlich‹ - vielleicht tut sie's ja. Mehr brauchst du nicht zu wissen. Sieh zu, daß du dein Flugzeug erwischst. Ich mache hier Ordnung. Den Anrufbeantworter spule ich zurück, bevor ich gehe. Versprochen.« »Du mußt das nicht«, sagte Patrick.
»Ich will dir helfen!« sagte Angie. »Ich weiß, wie das ist, wenn man ein verkorkstes Leben hat. Na los - mach dich mal lieber auf die Socken! Nicht daß du dein Flugzeug verpaßt.«
»Danke, Angie.« Er küßte sie zum Abschied. Sie schmeckte so gut, daß er beinahe nicht gegangen wäre. Was war eigentlich gegen sexuelle Anarchie einzuwenden?
Gerade als er ging, klingelte das Telefon. Er hörte Vitos Stimme auf dem Anrufbeantworter. »He, hör mal, Mister Einband... Mr. Ohneschwanz«, sagte Vittorio. Man hörte ein mechanisches Surren, ein schreckliches Geräusch.
»Das ist bloß ein blöder Mixer. Geh schon - sieh zu, daß du dein Flugzeug kriegst!« sagte Angie. Wallingford schloß gerade die Tür, als sie den Hörer abnahm.
»He, Vito«, hörte er Angie sagen. »Hör zu, du Saftsack.« Patrick blieb auf dem Treppenabsatz stehen; ein kurzes, aber angelegentliches Schweigen trat ein. »Das ist das Geräusch, das dein Schwanz im Mixer machen würde, Vito - überhaupt keins, weil da nämlich nichts ist!« Wallingfords nächster Nachbar stand ebenfalls auf dem Treppenabsatz - ein schlaflos wirkender Mann aus der Wohnung nebenan, der sich anschickte, seinen Hund auszuführen. Sogar der Hund wirkte schlaflos, während er leicht zitternd oben an der Treppe wartete. »Ich fliege nach Wisconsin«, sagte Patrick hoffnungsvoll. Der Mann, der einen silbergrauen Spitzbart hatte, wirkte regelrecht benommen vor lauter Gleichgültigkeit und Selbstekel. »Warum besorgst du dir nicht ein Vergrößerungsglas, damit du dir einen runterholen kannst?« schrie Angie. Der Hund spitzte die Ohren. »Weißt du, was man macht, wenn man so einen kleinen Schwanz hat wie du, Vito?« Wallingford und sein Nachbar starrten bloß den Hund an. »Man geht in ein Zoogeschäft. Man kauft sich eine Maus. Und die fragt man dann, ob sie einem einen bläst.«
Der Hund schien sich das alles mit großem Ernst durch den Kopf gehen zu lassen. Es war eine Art Miniaturschnauzer mit silbergrauem Bart, wie sein Herr.
»Gute Reise«, sagte Wallingfords Nachbar. »Danke«, sagte Patrick.
Gemeinsam setzten sie sich die Treppe hinunter in Marsch - der Schnauzer nieste zweimal, der Nachbar sagte, seiner Meinung nach habe sich das Tier einen »Klimaanlagen-Schnupfen« geholt. Sie hatten den Zwischenabsatz erreicht, als Angie irgend etwas gottlob Unverständliches brüllte. Ihre heroische Loyalität weckte in Patrick den Wunsch, zu ihr zurückzugehen; bei ihr waren die Aussichten besser als bei Mrs. Clausen.
Aber es war frühmorgens an einem Sommersamstag; der Tag war voller Verheißung. (Vielleicht nicht in Boston, wo eine Frau, die nicht Sarah Williams hieß, möglicherweise einer Abtreibung entgegensah.) Auf dem Weg zum Flughafen herrschte kaum Verkehr. Patrick war am Flugsteig, ehe das Boarding begann. Da er im Dunkeln gepackt hatte, während Angie schlief, hielt er es für vernünftig, den Inhalt seiner Reisetasche zu überprüfen: ein T-Shirt, ein Polohemd, ein Sweatshirt, zwei Badehosen, zwei Garnituren Unterwäsche - er trug Boxershorts -, zwei Paar weiße Tennissocken und Rasierzeug, dazu seine Zahnbürste, Zahnpasta und ein paar stets mit Hoffnungen verbundene Kondome. Außerdem hatte er eine Taschenbuchausgabe von Klein Stuart eingepackt, das für die Altersgruppe von acht bis zwölf empfohlen wurde. Wilbur und Charlotte hatte er nicht eingepackt, weil er bezweifelte, daß Mrs. Clausens Konzentrationsvermögen für zwei Bücher an einem Wochenende ausreichte; schließlich lief Otto noch
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