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Die vierte Hand

Die vierte Hand

Titel: Die vierte Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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mondgesichtige Direktor und die verbitterte Sabina hörten scheinbar gleichgültig zu und sagten kein Wort.) Wallingford begriff immerhin soviel, daß Mary im Grunde nicht wußte, was er wollte, und das machte sie nervös. »Das kommt drauf an«, erwiderte Patrick. »Es ist schwer, sich vorzustellen, einen Moderatorenstuhl gegen Aufträge als Sonderkorrespondent einzutauschen, auch wenn ich sie mir selber aussuchen darf. Wie heißt es doch so schön? ›War ich schon, kenn ich alles.‹ Es ist schwer, freudig auf einen Rückschritt vorauszublicken. Ich denke, du müßtest mir ein Angebot machen, damit ich eine bessere Vorstellung davon kriege, was du dir so denkst.«
    Mary sah ihn mit strahlendem Lächeln an. »Wie war es in Wisconsin?« fragte sie.
    Wharton, dessen starre Farblosigkeit mit den Möbeln verschmelzen würde, wenn er nicht in den nächsten dreißig Sekunden etwas sagte (oder wenigstens zuckte), hüstelte kaum hörbar in seine hohle Hand. Die unglaubliche Leere seines Gesichts erinnerte an die Ausdruckslosigkeit eines maskierten Henkers; selbst sein Hüsteln war vollkommen farblos. Sabina, mit der geschlafen zu haben sich Wallingford kaum erinnerte - jetzt fiel ihm ein, daß sie im Schlaf gewimmert hatte wie ein träumender Hund -, räusperte sich, als hätte sie ein Schamhaar verschluckt. »Schön war es in Wisconsin.«
    Wallingford sprach so neutral wie möglich, aber Mary zog den zutreffenden Schluß, daß zwischen ihm und Doris Clausen nichts entschieden worden war. Falls er und Mrs. Clausen wirklich ein Paar wären, hätte er es gar nicht abwarten können, ihr davon zu erzählen. Ebenso würde Mary es ihm sofort sagen, wenn sie erführe, daß sie schwanger war. Und sie wußten beide, daß es notwendig gewesen war, diese Pattsituation in Gegenwart von Wharton und Sabina zu inszenieren, die das ebenfalls beide wußten. Unter den gegebenen Umständen wäre es für Patrick und Mary nicht ratsam gewesen, miteinander allein zu sein. »Mein lieber Mann, ist das vielleicht eisig hier!« sagte Angie zu Wallingford, als sie ihn allein auf dem Schminkstuhl hatte. »Allerdings!« pflichtete Patrick bei. Er freute sich, die gutherzige junge Frau zu sehen, die seine Wohnung so sauber hinterlassen hatte, wie sie seit seinem Einzug nicht mehr gewesen war.
    »Was ist... willst du mir nun von Wisconsin erzählen oder wie?« fragte Angie.
    »Man kann noch nichts Definitives sagen«, bekannte Wallingford. »Ich halte allerdings die Daumen«, fügte er hinzu - eine etwas unglückliche Wortwahl, weil er dadurch an Mrs. Clausens Fruchtbarkeitsbringer erinnert wurde.
    »Ich drücke dir auch die Daumen«, sagte Angie. Sie hatte aufgehört, mit ihm zu flirten, war aber nicht weniger aufrichtig und freundlich. Wallingford würde seinen digitalen Wecker wegwerfen und durch einen neuen ersetzen, weil er bei jedem Blick auf den alten an Angies dort klebendes Stück Kaugummi würde denken müssen - und auch an die fast tödlichen Verrenkungen, durch die ihr Kaugummi mit solcher Gewalt herausgeschleudert worden war. Er wollte nicht im Bett liegen und an Angie denken, es sei denn, Doris Clausen sagte nein. Vorderhand äußerte sich Doris nur vage. Wallingford mußte zugeben, daß man aus den Fotos, die sie ihm schickte, nicht recht schlau wurde, obwohl er ihre begleitenden Kommentare, wo nicht kryptisch, dann eher boshaft als romantisch fand.
    Sie hatte ihm einen Abzug von jedem Bild des Films geschickt; es fehlten, wie Patrick sah, nur die beiden, die er selbst fotografiert hatte. Ihr lila Badeanzug an der Wäscheleine, neben seiner Badehose - er hatte zwei Bilder davon gemacht, falls sie eines davon behalten wollte. Sie hatte beide behalten.
    Die ersten beiden Fotos, die Mrs. Clausen schickte, waren wenig überraschend: zunächst das von Wallingford, wie er, den nackten Otto in den Armen, durch das flache Wasser nahe dem Seeufer watete. Das zweite war das Bild, das Patrick von Doris und Otto junior auf dem Sonnendeck der Haupthütte gemacht hatte. Es war Wallingfords erster Abend in dem Cottage am See, und zwischen ihm und Mrs. Clausen hatte sich noch nichts abgespielt. Als dächte sie nicht einmal, zwischen ihnen könnte sich etwas abspielen, war ihre Miene völlig entspannt, frei von jeder Erwartung.
    Überraschend war nur das dritte Foto, von dem Wallingford nicht wußte, daß Doris es aufgenommen hatte; es zeigte ihn, wie er mit seinem Sohn im Schaukelstuhl schlief.
    Patrick wußte nicht, wie er Mrs. Clausens Bemerkungen in

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