Die vierte Hand
allem trotz seiner unvorstellbaren Blindheit gegenüber seiner knackärschigen »Assistentin« - war Dr. Nicholas M. Zajac auf dem noch jungen Gebiet der Handtransplantation nach wie vor der führende Mann. Daß Bostons hervorragendster Handchirurg in dem Ruf stand, ein asexueller Spinner zu sein, war für seinen einzigen Sohn nicht von Belang. Was kümmert einen Sechsjährigen die berufliche oder sexuelle Tüchtigkeit seines Vaters, zumal wenn er selbst zu erkennen beginnt, daß sein Vater ihn liebt?
Was die Frage nach dem Auslöser für die neuentdeckte Zuneigung zwischen Rudy und seinem komplizierten Vater angeht, so waren dafür mehrere Faktoren ausschlaggebend. Ein gewisses Verdienst gebührt einem dummen Hund, der seine eigene Scheiße fraß, wie auch jenem vor langer Zeit bestehenden, reinen Männerchor, der Zajac auf den irrigen Gedanken brachte, er könne singen. (Nach dem spontan entstandenen ersten Vers von »Ich bin Medea« verfaßten Vater wie Sohn noch viele weitere Verse, die allesamt zu infantil skatologisch waren, um hier wiedergegeben zu werden.) Außerdem gab es da natürlich noch das Küchenuhrspiel und E. B. White.
Ferner muß hier die Bedeutung des Unfugtreibens in Vater-Sohn-Beziehungen gewürdigt werden. Einen Sinn für Unfug hatte der frühere Mittelfeldspieler zunächst dadurch entwickelt, daß er mit einem Lacrosseschläger Hundehaufen aufnahm und sie in den Charles River pfefferte. Wenn es Zajac anfangs auch nicht gelungen war, Rudy für Lacrosse zu interessieren, so lenkte er die Aufmerksamkeit seines Sohnes schließlich doch auf die Feinheiten dieser Sportart, während sie mit Medea an den Ufern des historischen Charles River spazierengingen. Man stelle sich folgendes vor: Da ist der Hundehaufen jagende Hund, der Dr. Zajac an straff gespannter Leine hinter sich herzerrt. (In Cambridge herrscht natürlich Leinenzwang; sämtliche Hunde müssen angeleint sein.) Und dort, vor dem eifrigen Labradormischling herrennend - jawohl, tatsächlich rennend, tatsächlich sich bewegend! - der sechsjährige Rudy Zajac, in den Händen einen Lacrosseschläger in Kindergröße, den er dicht am Boden vor sich hält.
Einen Hundehaufen mit einem Lacrosseschläger aufzunehmen ist, besonders im Laufen, sehr viel schwieriger, als einen Lacrosseball aufzunehmen. (Hundehaufen treten in unterschiedlichen Größen auf und sind zuweilen mit Gras verklebt oder breit getreten.) Allerdings war Rudy gut trainiert worden. Und Medeas Entschlossenheit, ihr kräftiges An-der-Leine-Zerren, gaben dem Jungen genau das, was man braucht, um eine Sportart zu meistern - besonders »Hundehaufenlacrosse«, wie Vater und Sohn das nannten. Medea sorgte für Wettbewerb. Jeder Amateur kann mit einem Lacrosseschläger einen Hundehaufen aufnehmen, aber man versuche es einmal unter dem Druck eines Scheiße fressenden Hundes; Druck ist bei jeder Sportart ein ebenso wichtiger Lehrmeister wie ein guter Trainer. Außerdem war Medea gut fünf Kilo schwerer als Rudy und konnte den Jungen mühelos umwerfen. »Immer mit dem Rücken zu ihr - so ist's recht!« schrie Zajac. »Halten, halten - weiter halten! Achte drauf, wo der Fluß ist!« Der Fluß war ihr Ziel - der historische Charles River. Rudy beherrschte zwei Schläge, die sein Vater ihm beigebracht hatte. Einmal den üblichen Schlag über die Schulter (entweder als langen Lob oder in ziemlich flacher Flugbahn), zum anderen den seitlichen Schlag, der flach aufs Wasser zielte und sich am besten dafür eignete, die Hundehaufen hüpfen zu lassen, was Rudy bevorzugte. Das Risiko bei dem seitlichen Schlag bestand darin, daß der Schläger dicht über dem Boden hinstrich; Medea konnte einen seitlichen Schlag abblocken und rasch den Haufen fressen. »Flußmitte, Flußmitte!« wies der frühere Mittelfeldspieler ihn etwa an. Oder aber er brüllte: »Ziel unter die Brücke!« »Aber da ist ein Boot, Dad.«
»Dann ziel auf das Boot«, sagte Zajac, etwas leiser, in dem Bewußtsein, daß seine Beziehungen zu den Ruderern bereits angespannt waren. Das sich daraus ergebende Geschrei und Gebrüll der empörten Ruderer verlieh den Härten des Wettkampfes eine gewisse Würze. Besonders fesselte Dr. Zajac das schrille Gekläff der Steuerleute in ihre Megaphone, obwohl man heutzutage vorsichtig sein mußte - einige von ihnen waren Frauen.
Zajac hielt nichts von Frauen in Skullbooten oder den größeren Rennbooten, ganz gleich ob sie Ruderer oder Steuerleute waren. (Dies gehörte sicherlich zu den
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