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Die vierte Hand

Die vierte Hand

Titel: Die vierte Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Wallingfords linkem Unterarm verband, spürte er, wie sein Herz sich zusammenzog; seine Lungen schienen sich nicht mehr zu dehnen, und er hatte einen Magenkrampf, der seiner Vorwärtsbewegung ebenso gründlich ein Ende machte, als wäre er, sagen wir, von einem Bierlaster angefahren worden. Zajac lag zusammengekrümmt im Schneematsch, als Irma zu ihm zurückgesprintet kam.
    Er war sprachlos vor Schmerz, Dankbarkeit, Scham, Begierde - was Sie wollen. Irma führte ihn in die Brattle Street zurück, als wäre er ein ausgerissenes Kind. »Sie sind dehydriert - Sie müssen Ihren Flüssigkeitshaushalt ergänzen«, schalt sie ihn. Sie hatte Bücher zum Thema Dehydration und den verschiedenen »Wänden« gelesen, gegen die Läufer angeblich »stoßen« und die zu »durchlaufen« sie trainieren müssen. Irma »fuhr«, wie man so sagt, »voll ab« auf das Vokabular der Extremsportarten; die Adjektive für wahnsinniges Durchhaltevermögen angesichts grausamer Ausdauertests waren ihre wichtigsten Bestimmungswörter geworden. (Zum Beispiel »herb«.) Ebensosehr war sie von einschlägigen Ernährungstheorien durchdrungen - von konventioneller Kohlenhydratzufuhr bis zu Ginseng-Einlaufen, von grünem Tee und Bananen vor dem Lauf bis hin zu Preiselbeersaft-Shakes danach. »Sobald wir zu Hause sind, mache ich Ihnen ein Eiweißomelett«, sagte sie zu Dr. Zajac, den seine Schienbeine schier umbrachten; er humpelte neben ihr her wie ein verkrüppeltes Rennpferd. Sein Äußeres, das (von einem seiner Kollegen) bereits mit dem eines streunenden Hundes verglichen worden war, gewann dadurch nicht eben an Attraktivität. Am größten Tag seiner beruflichen Karriere hatte sich Dr. Zajac atemlos in seine zur persönlichen Trainerin gewordene Haushälterin/Assistentin verliebt. Aber er konnte es ihr nicht sagen - er konnte überhaupt nicht reden. Während er in der Hoffnung, den von seinem Solarplexus ausstrahlenden Schmerz zu lindern, keuchend Atem holte, fiel ihm auf, daß Irma seine Hand hielt. Ihr Griff war kräftig; ihre Fingernägel waren kürzer geschnitten als die der meisten Männer, aber sie war keine Nägelkauerin. Die Hände einer Frau waren sehr wichtig für Zajac. Es erscheint vielleicht unfein, in aufsteigender Reihenfolge zu benennen, was ausschlaggebend dafür war, daß er sich in Irma verliebte, aber hier ist es: ihre Bauchmuskeln, ihr Hintern, ihre Hände.
    »Sie haben Rudy dazu gebracht, daß er mehr rohes Gemüse ißt« war alles, was der Handchirurg unter keuchenden Atemzügen herausbrachte. »Das war bloß die Erdnußbutter«, sagte Irma. Sie hatte keine Mühe, ihn abzustützen. Sie hatte das Gefühl, sie hätte ihn nach Hause tragen können - so freudig erregt war sie. Er hatte ihr ein Kompliment gemacht; sie wußte, daß er sie endlich wahrgenommen hatte. Wie zum ersten Mal sah er wirklich, wer sie war.
    »Das nächste Wochenende ist Rudy bei mir«, japste Zajac, »vielleicht möchten Sie auch dableiben? Ich fände es schön, wenn Sie ihn kennenlernen.«
    Die Einladung erschien Irma ebenso schlüssig wie seine Hand auf ihrer Brust, die sie sich nur eingebildet hatte. Sie kam plötzlich ins Wanken, dabei lastete nach wie vor nur die Hälfte seines Gewichts auf ihr; der unvorhersehbare Zeitpunkt ihres Triumphs hatte sie geschwächt. »Ich mag in meinen Eiweißomeletts geraspelte Möhren und ein bißchen Tofu, Sie auch?« fragte sie, während sie sich dem Haus in der Brattle Street näherten.
    Medea war gerade dabei, im Garten einen Haufen zu machen. Als das feige Tier sie sah, beäugte es verstohlen seinen eigenen Kot; dann rannte es davon weg, als wollte es sagen: »Wer hält es schon in der Nähe von diesem Zeug aus? Ich ganz bestimmt nicht!« »Dieser Hund ist sehr dumm«, bemerkte Irma nüchtern. »Aber irgendwie mag ich ihn«, fügte sie hinzu.
    »Ich auch«, krächzte Zajac mit wundem Herzen. Das »irgendwie« gab ihm den Rest; er hatte genau die gleichen Gefühle für den Hund. Er war zu aufgeregt, um sein Eiweißomelett mit geraspelten Möhren und Tofu zu essen, obwohl er es versuchte. Er konnte auch den großen Shake nicht austrinken, den Irma ihm machte - Preiselbeersaft, Bananenbrei, gefrorener Joghurt, Proteinpulver und irgend etwas Körniges (möglicherweise eine Birne). Er kippte die Hälfte davon zusammen mit dem ungegessenen Omelett in die Toilette, ehe er duschte. Erst unter der Dusche bemerkte Zajac seinen Ständer. Seine Erektion trug eindeutig Irmas Handschrift, obwohl sich nichts Körperliches zwischen

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