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Die vierte Hand

Die vierte Hand

Titel: Die vierte Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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selbstbewußt erwiderte, und draußen auf dem Bürgersteig nahm sie seinen Arm und sagte: »So ein kleiner Vorfall wie eben wirkt Wunder für die Einschaltquoten, Pat.« Daß ihr seine Wohnung besser gefiel als ihre, überraschte ihn nicht. »Das alles für dich allein?« fragte sie.
    »Es ist bloß eine Zweizimmerwohnung, wie deine«, protestierte Wallingford. Genaugenommen stimmte das zwar, aber die Küche von Patricks Wohnung in den East Eighties war so groß, daß ein Tisch darin Platz fand, und das Wohnzimmer ließ sich als Wohn-/Eßzimmer verwenden, falls er je Lust dazu hatte. Am besten aber war in Marys Augen, daß das geräumige Schlafzimmer L-Form hatte; in das kurze Ende des L würden ein Kinderbett und sämtliches Babyzubehör hineinpassen. »Das Baby ließe sich dort unterbringen«, wie sie es formulierte, während sie vom Bett aus auf die Nische deutete, »und ich wäre trotzdem noch einigermaßen ungestört.«
    »Du möchtest deine Wohnung gegen meine tauschen - ist es das, Mary?«
    »Na ja... wo du doch sowieso die meiste Zeit in Wisconsin bist. Was soll's, Pat, so wie es sich anhört, brauchst du in New York doch bloß eine Zweitwohnung. Meine Wohnung wäre genau das richtige für dich!« Sie waren nackt, doch Wallingford hatte seinen Kopf eher ergeben als aus sexueller Erregung auf ihren flachen, knabenhaften Bauch gelegt; er hatte die Lust verloren, »noch ein bißchen zu vögeln«, wie es Mary im Cafe so gewinnend formuliert hatte. Er wehrte sich gegen die Vorstellung, in ihrer lauten Wohnung in der East Fifty-irgendwas zu wohnen. Er haßte das Stadtzentrum - dort herrschte immer so ein Lärm. Im Vergleich dazu waren die Eighties ein richtiggehendes Wohnviertel. »An den Lärm gewöhnst du dich«, sagte Mary zu ihm und strich ihm wohltuend über Nacken und Schultern. Gewieft wie sie war, las sie seine Gedanken. Wallingford schlang ihr die Arme um die Hüften; er küßte ihren kleinen weichen Bauch, versuchte sich die Veränderungen an ihrem Körper in sechs, dann sieben, dann acht Monaten vorzustellen. »Du mußt zugeben, daß deine Wohnung besser für das Baby wäre, Pat«, sagte sie. Immer wieder schnellte ihre Zunge in sein Ohr. Ihm fehlte die Fähigkeit, langfristig auf etwas hinzuarbeiten; er konnte nur alles an ihr bewundern, was er bislang unterschätzt hatte. Möglicherweise konnte er von ihr lernen. Vielleicht bekäme er dann, was er wollte - das erträumte Leben mit Mrs. Clausen und dem kleinen Otto. Oder wollte er das im Grunde gar nicht? Plötzlich geriet seine Zuversicht ins Wanken. Wenn er nun im Grunde nur vom Fernsehen weg und aus New York heraus wollte?
    »Armer Penis«, sagte Mary tröstend. Sie hielt ihn zärtlich, aber er reagierte nicht. »Er muß müde sein«, fuhr sie fort. »Vielleicht sollte er ein bißchen ausruhen. Wahrscheinlich sollte er seine Kraft für Wisconsin aufsparen.«
    »Wir hoffen mal lieber beide, daß es in Wisconsin für mich klappt, Mary. Ich meine, für das, was wir beide vorhaben.« Sie küßte seinen Penis leicht, beinahe gleichgültig, wie so viele New Yorker etwa einen bloßen Bekannten oder nicht allzu engen Freund auf die Wange küssen würden.
    »Kluger Junge, Pat. Und ein netter Junge bist du im Grunde auch - egal, was sonstwer behauptet.«
    »Wie es scheint, werde ich als jemand wahrgenommen, der im Genpool ganz weit oben schwimmt«, gab Wallingford zur Antwort. Er versuchte, sich den Telepromptertext für die Freitagabendsendung vorzustellen, und überlegte, was wohl Fred schon dazu beigetragen haben mochte. Er versuchte sich auch vorzustellen, was Mary zu dem Script hinzufügen würde, denn was Patrick Wallingford vor der Kamera sagte, wurde von vielen unsichtbaren Händen geschrieben, und Patrick begriff mittlerweile, daß Mary schon immer eine bedeutendere Rolle gespielt hatte.
    Als deutlich wurde, daß Wallingford außerstande war, noch einmal mit ihr zu schlafen, sagte Mary, sie könnten genausogut ein bißchen früher zur Arbeit gehen. »Ich weiß, du kriegst immer gern ein bißchen Input im Hinblick darauf, was auf den Teleprompter kommt«, wie sie es ausdrückte. »Ich habe da ein paar Ideen«, fügte sie hinzu, aber erst, als sie im Taxi in Richtung downtown saßen.
    Ihr Timing war geradezu phantastisch. Patrick hörte ihr zu, wie sie von »Abschluß« sprach, davon, »die Kennedy-Sache zu Ende zu bringen«. Sie hatte, so ging ihm auf, das Script bereits geschrieben. Fast als fiele es ihr nachträglich ein - sie hatten die

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