Die vierte Schlinge: Thriller (German Edition)
nicht so aus. Stimmen Sie mir zu, Chefin?«
»Ich glaube, wir sollten das Spekulieren lassen«, sagte Diane.
»Seine Hände sind unheimlich fest verschnürt«, sagte der andere Techniker.
»Vielleicht hatte er Hilfe«, meinte sein Partner. »Das Seil ist vorne ganz straff, da wo er sich hineinlehnt, aber hinten ist es doch ziemlich locker.« Sie hielten die Leiche fest, während Diane das gelbe Polypropylenseil mit einer orangefarbenen Schnur kennzeichnete und danach durchschnitt.
»Diese Fesselung um den Hals sieht genauso aus wie bei diesem Jungen neulich. Dessen Mutter hatte zuvor die ganzen Pornos, die er im Zimmer hatte, entfernt«, fuhr der Techniker fort. Er schaute sich im ganzen Schlafzimmer um. »Freunde und Familienangehörige machen so etwas nämlich, wissen Sie?« Er wollte seine Diagnose nicht so leicht aufgeben.
»Bringen wir den armen Burschen hier raus«, sagte Lynn Webber.
Sie zog die Handschuhe aus, während die Kriminaltechniker die sterblichen Überreste von Chris Edwards in den Leichensack packten.
»Passen Sie auf die Seile auf«, sagte Diane.
»Tun wir.« Der Schwarze lächelte Diane an. »Bei Pete und mir ist unser Gast in guten Händen, stimmt’s, Pete?«
»Und ob! Wir haben noch nie Klagen gehört.« Die beiden lachten.
Bevor auch Lynn den Tatort verließ, teilte sie Diane mit, dass sie die Autopsie erst am Nachmittag durchführen werde. Diane könne dann vorbeikommen und die Seile holen.
Whit blieb, bis der Körper abtransportiert und Lynn gegangen war. Diane brachte ihn zur Tür.
»Ich habe mich mit seiner Freundin unterhalten, bevor ich sie heimgehen ließ«, sagte Whit im Flüsterton, obwohl nur noch sie und ihre Crew am Tatort anwesend waren. »Sie meinte, dass gewöhnlich ein Schlüssel unter der Fußmatte vor dem Eingang liege. Als sie ankam, lag dieser aber auf dem Schreibtisch. Ich fragte sie dann noch, ob irgendetwas fehle, soweit sie das beurteilen könne. Sie meinte, sein Laptop sei anscheinend nicht mehr da. Der habe normalerweise zusammen mit einem DVD-Player auf dem Schreibtisch gestanden.«
Whit deutete auf einen an der Wand stehenden Kiefernholztisch, der von zwei großen Lautsprechern flankiert wurde. Der Tisch selbst war jetzt leer, aber das Staubmuster zeigte deutlich, dass zuvor etwas darauf gestanden haben musste.
Diane schaute sich im ganzen Raum um, ob noch andere Spuren auf abhandengekommene Gegenstände hinwiesen. Es war ein karges Zimmer mit sandfarbenen Wänden. Neben dem Holztisch gab es noch eine braune Futoncouch, einen Polsterstuhl mit braunem Kordbezug und einen Schaukelstuhl aus Rohrgeflecht. Der Couchtisch war ein großer, roh behauener, quer durchgeschnittener Baumstumpf, auf dem oben eine Glasplatte montiert war. Im großen Bücherregal an der Wand gegenüber der Couch standen ein Fernsehgerät, Bücher über Wald und Waldwirtschaft und etliche National-Geographic -Jahrgänge. Auf den Hartholzfußböden lagen weder Teppiche noch andere Textilbeläge.
»Jin nahm der Freundin – Kacie Beck – die Fingerabdrücke ab, bevor sie ging. Sie war sehr kooperativ«, sagte er.
Diane nickte. Whit schien bekümmert, als er seine dunklen Augen zum letzten Mal über das Schlafzimmer gleiten ließ.
»So ein junger Kerl.« Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß auch nicht, warum ich für dieses Amt kandidiert habe. Ich glaube, bei der nächsten Wahl lasse ich mich nicht mehr aufstellen.«
»Es ist sicherlich belastend, wenn man es immer mit solchen Morden zu tun hat«, sagte Diane. »Viele Leute scheinen sich aber so daran gewöhnt zu haben, dass sie das Schreckliche einer solchen Tat gar nicht mehr wahrnehmen können.«
»Mein Vater glaubt, dies habe etwas mit dem Einfluss der Kriminalfilme und des Fernsehens zu tun, aber ich weiß nicht so recht …« Er schüttelte noch einmal den Kopf, als könne er dadurch solche Gedanken vertreiben. »Grüßen Sie Frank von mir.«
Frank, dachte Diane. Er sollte eigentlich bald aus San Francisco zurück sein. Sie fragte sich, ob sie je die Zeit finden würde, ihn wiederzusehen. Sie fragte sich, ob sie je die Zeit finden würde, ihr Museum wiederzusehen. Sie seufzte, als Whit die Mordwohnung verließ.
Neva kam gerade die Eingangsstufen hoch, als Whit abfuhr. Sie blieb vor Diane stehen, die ihr Kommen beobachtet hatte und nun auf der Veranda auf sie wartete.
»Ich habe es im Polizeifunk gehört. Wollten Sie mich nicht rufen?«
»Nein. Ich möchte neue Kollegen nicht gleich in ihrer ersten Woche mit so vielen
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