Die vierte Todsuende
zehn Tage bis Silvester. Dann wird der neue Chefinspektor ernannt.«
Delaney bot seinem Gast eine Zigarre an, doch der lehnte ab. Delaney beschnitt seine mit einem goldenen Zigarrenabschneider, den seine erste Frau ihm vor zwanzig Jahren zu Weihnachten geschenkt hatte.
»Immerhin«, sagte er und paffte dabei große Rauchwolken, »hat unsere Untersuchung den Druck auf die Behörde einigermaßen verringert. Die Witwe und der Vater von Ellerbee geben Ruhe. Stimmt's? Und ich weiß gar nicht, wann ich die letzte Erwähnung des Falles in der Zeitung gesehen habe.«
»Und ich würde gern in der Zeitung lesen ›Polizei löst Mordfall Ellerbee‹. Das würde Suarez mächtig helfen.«
»Wie geht es dem überhaupt? Ich höre seit Tagen nichts mehr von ihm. Vielleicht rufe ich ihn heute Abend mal an.«
»Suarez ist als Verwaltungsmann besser als bei der eigentlichen Verbrechensaufklärung«, sagte Thorsen. »Aber damit sage ich Ihnen sicher nichts Neues, Edward?«
»Na, zehn Tage bleiben uns noch, und wenn ich eine Prognose stellen sollte, würde ich sagen: Bis dahin klären wir den Fall, oder er wird durch die nächsten Jahre mitgeschleppt und nie geklärt.«
»Sagen Sie bloß sowas nicht, Edward. Na, vielen Dank für den Whisky jedenfalls. Ich muss los.«
»Moment noch, Ivar. Wie stehen Sie derzeit mit der Staatsanwaltschaft?«
»Meinen Sie, wie ich persönlich mit denen stehe, oder wie die Behörden miteinander stehen?«
»Sie persönlich.«
»Nicht übel. Man schuldet mir dort kleine Gefälligkeiten. - Weshalb fragen Sie?«
»Mir ist ganz so, als müssten wir sowohl gegen die Yesell als auch gegen Bellsey eine Anklage so gut wie ausschließlich auf Indizien stützen. Würde die Staatsanwaltschaft auch anklagen, wenn die Aussichten für eine Verurteilung sehr mäßig sind?«
»Da machen Sie schon die nächste Pandorabüchse auf, Edward. Im Prinzip würden sie das wohl kaum wollen, aber gerade dieser Fall hat so viel Aufsehen gemacht, dass sie es vielleicht doch tun, allein der Publicity wegen. Die sind nämlich ebenso heiß darauf, ins Fernsehen zu kommen, wie unsereins.«
Delaney nickte. »Dann klopfen Sie doch vorsichtshalber mal auf den Busch.«
Thorsen sah ihn scharf an. »Sie halten also doch die Yesell für die Täterin, Edward?«
»Sagen wir mal so: Im Moment haben wir weiter niemand als sie und Bellsey. Sie könnten eine Kerze für uns anzünden, Ivar.«
»Eine? Mann, ich setze eine ganz Kiste in Brand, wenn das hilft.«
Als sein Besucher weg war, versuchte Delaney wie versprochen, Suarez zu erreichen, doch war der nicht daheim. Delaney benutzte die Gelegenheit, Rosa Suarez ein schönes Fest zu wünschen, und bat, sie möge ihrem Mann ausrichten, dass er angerufen habe - es sei aber nichts wirklich Dringendes.
Dann nahm er sich alles vor, was er in seinen Unterlagen über Roland Bellsey fand. Calazo hatte berichtet, dass Bellsey verdächtig sei, in der näheren Umgebung seiner Stammkneipen vier Personen brutal zusammengeschlagen zu haben.
Zog man Delaneys persönliche Abneigung gegen Bellsey in Betracht, so konnte es nicht wundernehmen, dass vor seine Augen sehr deutlich das Bild eines Mannes trat, dem es Genuss bereitet, auf Schwächere brutal loszuschlagen, nicht zu vergessen den Polizeibeamten Hogan. Zweifellos ein sadistischer Psychopath. Blieb die Frage: ein mörderischer Psychopath?
Da war noch einiges unklar. Jemand, dem es Vergnügen machte, ein wehrloses Opfer zu misshandeln, der es genoss zu sehen, wie ein Mitmensch sich in Schmerzen wand, der griff nicht unbedingt zum Hammer, um den Qualen dieses Opfers ein Ende zu setzen.
Wäre Ellerbee an Misshandlungen gestorben, die der Täter ihm zugefügt hatte, die Tat wäre Bellsey schon viel eher zuzutrauen gewesen.
Delaney ächzte, als ihm klar wurde, dass er wieder mal dabei war, an die Handlungsweise eines Gestörten den Normalmaßstab anzulegen. Das ging einfach nicht an, man musste das Irrationale in Betracht ziehen, das die Krankheit dieser Leute ausmachte. Tat man das, war es durchaus denkbar, dass Bellsey, einmal von seinem Wahn gepackt, sehr wohl einen Treibhammer benutzte oder einen Eispickel, wenn nicht gar einen Bulldozer.
Joan Yesell hingegen litt unter Depressionen, neigte zu Selbstmordversuchen, zeigte aber keinerlei sadistische Neigungen, vergleichbar mit denen von Bellsey. Aber wer wollte schon sagen, was sich hinter ihrem schüchternen, scheuen Auftreten in Wahrheit verbarg?
Von diesen beiden hielt Delaney gleichwohl Joan
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