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Die vierte Todsuende

Die vierte Todsuende

Titel: Die vierte Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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war er zierlich; auf einem stengeldünnen Hals saß ein unproportioniert großer Kopf, der Teint sah eher grau aus, und die dicken Brillengläser steckten in einer Nickelfassung. Dass er eine dichte braune wohlfrisierte Haartolle hatte, wirkte eher überraschend. Er nahm aus der vor ihm stehenden Kaffeetasse einen Schluck und fragte:
    »Könnten Sie das noch mal wiederholen?«
    Boone: »Könnte es sein, dass die der Leiche beigebrachten Augenverletzungen symbolische Bedeutung haben -dass man Ellerbee sozusagen ›blenden‹ wollte?«
    »Das ist denkbar.«
    Delaney: »Glauben Sie, Ellerbee war seiner Frau treu?«
    »Keine Frage. Umgekehrt ebenfalls. Ich sagte doch, es war eine sehr gute Ehe. So was gibt es nämlich. Ich möchte mal wissen, wozu eigentlich diese Fragen dienen? Sollen die ihnen vielleicht helfen, diejenige Person zu finden, die diese gemeine Untat begangen hat?«
    Boone: »Mrs. Ellerbee ist jünger als ihr Mann?«
    »Etwa acht Jahre. Kein sehr bedeutender Altersunterschied.«
    Delaney: »Sie ist eine auffallend gutaussehende Frau. Sie wissen bestimmt, dass sie ihm treu gewesen ist?«
    »Soweit man das wissen kann. Klatsch, Gerüchte in dieser Hinsicht hat es nie gegeben. Und mir, als ihrem engsten Freund, wäre derartiges bestimmt nicht verborgen geblieben.«
    Boone: »Ist Ihnen in den letzten sechs bis zwölf Monaten an Ellerbee irgendeine Veränderung aufgefallen?«
    »Nein. Keine Veränderung.«
    Delaney: »Nervosität vielleicht? Angst? Anfälle von Schweigsamkeit, plötzliche Wutausbrüche, irgendwas in dieser Richtung?«
    »Nein, nichts.«
    Boone: »Hat er je gesagt, dass Patienten ihn bedroht hätten?«
    »Nein. Er war als Therapeut außerordentlich geschickt. Und gewiss wäre er mit Drohungen fertig geworden, vorausgesetzt, sie haben überhaupt stattgefunden.«
    Delaney: »Waren Sie selber je verheiratet?«
    »Einmal, meine Frau ist vor zwanzig Jahren an Krebs gestorben, und ich habe nicht noch einmal geheiratet.«
    Boone: »Kinder?«
    »Mein einziger Sohn kam bei einem Autounfall ums Leben.«
    Delaney: »Ellerbees waren dann also für Sie so was wie Ihre Familie?«
    »Ich habe noch Geschwister. Immerhin waren Ellerbees meine engsten Freunde. Und zwar alle beide.«
    Boone: »Streit gab es nie zwischen den beiden?«
    »Selbstverständlich haben sie gestritten. Welches Ehepaar streitet nicht hin und wieder? Aber niemals erbittert.«
    Delaney: »Haben Sie in der bewussten Nacht in Ellerbees Haus irgendwelche Geräusche gehört oder sonst welche Anzeichen bemerkt, die darauf hindeuteten, dass außer ihnen noch jemand anderer im Hause war?«
    »Ich habe nichts Derartiges bemerkt.«
    Boone: »Aber vielleicht was gerochen? Parfüm? Räucherkerzen? Einen starken Körpergeruch?«
    »Nein. Die Nacht war feucht, und es roch etwas muffig.«
    Delaney: »Die Haustür weist keine Anzeichen von Gewaltanwendung auf, wir müssen also annehmen, dass Ellerbee selber jemandem geöffnet hat, den er erwartete. Das bringt uns wieder zu seinen Patienten, von denen einer oder eine die Tat begangen haben könnte. Wir möchten, dass Mrs. Ellerbee die Liste seiner Patienten durchgeht und diejenigen bezeichnet, von denen sie glaubt, sie könnten eventuell in Frage kommen.«
    »Das hat sie mir gestern Abend schon erzählt.«
    Boone: »Sie macht das von Ihrer Zustimmung abhängig. Wollen Sie die geben?«
    »Das habe ich bereits getan. Sie hat nicht das Recht, Ihnen die Krankengeschichten der Patienten ihres Mannes auszuhändigen, doch bin ich der Meinung, dass ein legitimes öffentliches Interesse daran besteht, dass sie mindestens jene Patienten namentlich bezeichnet, die sie für fähig hält, gewalttätig zu werden. Sie haben die vollständige Liste, und ich nehme an, Sie überprüfen alle darauf Verzeichneten?«
    Delaney: »Es dürfte beinahe unmöglich sein, das zu tun, und deshalb freut es mich sehr, dass Sie Mrs. Ellerbee zugeredet haben, uns die gewünschten Informationen zu geben. Augenscheinlich legt sie auf Ihre Meinung großen Wert. Sind Sie eine Art Vaterfigur für sie?«
    Dr. Samuelson hatte sich unterdessen völlig gefasst und lehnte sich nun ungezwungen zurück. Hinter den dicken Gläsern glänzten seine Augen.
    »Das bezweifle ich denn doch sehr«, erklärte er. »Diane ist eine sehr kompetente Person. Zwar erwärmt ihr Anblick einem das Herz, aber das ist keineswegs alles. Sie ist sehr gescheit und befähigt. Simon hatte großes Glück, sie gefunden zu haben. Ich habe ihm das oft gesagt, und er war ganz

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