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Die vierte Todsuende

Die vierte Todsuende

Titel: Die vierte Todsuende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Sanders
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so war es.«
    »Tun Sie mir den Gefallen, Mrs. Otherton, und denken Sie noch einmal gründlich darüber nach. Vielleicht fällt Ihnen ja doch was ein, was Ihre Angabe bestätigen könnte.«
    »Ich will es versuchen. Wirklich.«
    Estrella blickte in das von Puder und Schminke entstellte Gesicht, und plötzlich erkannte er, dass ohne die kalkweiße Maske und mit sorgfältig hergerichteter Frisur diese Person zwar nicht gerade hübsch aussehen würde, aber doch sehr passabel. Zu seinem eigenen Entsetzen sagte er ihr das alles rundheraus ins Gesicht, er belehrte diese ihm doch ganz fremde Frau darüber, wie sie sich kleiden, zurechtmachen, herrichten sollte und das nicht, um Eindruck auf andere zu machen, sondern um ihrer eigenen Selbstachtung willen.
    »Sie dürfen sich nicht hier einschließen«, sagte er eindringlich, » Sie müssen unter Menschen gehen.«
    Sie starrte ihn an, und allmählich füllten ihre Augen sich mit Tränen. Er war tief betroffen, er glaubte, sie schwer gekränkt zu haben, doch sagte sie fast erstickt: »Ich bin Ihnen ja so dankbar… es ist so freundlich von Ihnen, Anteil an mir zu nehmen. Sich wirklich zu interessieren. Die meisten Menschen lachen über mich. Doktor Ellerbee hat das nie getan. Und dafür habe ich ihn geliebt. Ich weiß ja, dass ich kein normales Leben führe, aber mit seiner Hilfe wurde es langsam besser. Doch jetzt, wo er tot ist, bin ich ganz ratlos …«
    Sie erzählte Estrella dann von dem Trauma, das sie erlitten, der Vergewaltigung durch den Onkel und den Hass, mit dem sie seither bärtige Männer verfolgte — was alles ihm längst bekannt war. Sie bezeichnete ihr Leben als ein wirres Durcheinander und sagte: »Ich werde in meinem Kopf wahrscheinlich nie Ordnung schaffen können.«
    Estrella redete ihr zu und erzählte seinerseits von seiner todkranken Frau, und wie mutig diese sich verhielt. »Ihre geistige Einstellung zu all diesen Dingen ist sogar noch wesentlich wichtiger als Ihre Erscheinung. Ich glaube aber, dass in Ihrem Fall ein Zusammenhang besteht. Und dass Ihre geistige Verfassung sich bessert, wenn Sie sich entschließen, äußere Veränderungen vorzunehmen.«
    Sie holte Sherrygläser, und es begann eine angeregte Unterhaltung, bei der sich herausstellte, dass beide sich für Astrologie, für außersinnliche Wahrnehmung und UFOs interessierten. Er fragte, ob er seine Pfeife rauchen dürfe, und sie erwiderte, ja, Männer, die Pfeife rauchten, habe sie immer schon bewundert.
    Nach einer Weile bekam Estrella Gewissensbisse, weil er hier die Zeit vertrödelte, ohne zur Sache zu kommen; er hatte, seit seine Frau erkrankt war, keine Unterhaltung mit einer anderen Frau geführt, und in der Klinik durfte er immer nur kurze Besuche machen.
    »Ich hoffe sehr, Miss Otherton, dass…«
    »Sagen Sie doch Sylvia zu mir«, unterbrach sie.
    »Sylvia, das ist ein schöner Name. Er bedeutet so was wie Waldnymphe. Wussten Sie da? Ich heiße Brian, was der ›Starke‹, der ›Machtvolle‹ bedeutet, woran Sie schon sehen können, wie albern das ist. Ich wollte aber sagen, Sylvia, dass ich Sie sehr bitte, uns anzurufen, falls Ihnen doch noch etwas einfällt, was uns auf die Spur von Doktor Ellerbees Mörder bringen könnte. Ich lassen Ihnen meine Karte hier.«
    Sie sah ihn starr an und sagte: »Ich weiß, wie man den finden kann.«
    Er wurde ganz aufgeregt. »Wie denn?« fragte er heiser.
    Sie stand auf und holte aus dem Alkoven, der durch den Wandschirm gebildet wurde, ein Ouija-Brett, wie man es bei spiritistischen Sitzungen benutzt.
    »Glauben Sie an so etwas, Brian?« fragte sie.
    »Schaden kann es nicht«, meinte er achselzuckend.
    »Sie müssen daran glauben, sonst dringt die Botschaft nicht durch.«
    »Gut«, sagte er hastig, »Sie haben recht. Und, offen gesagt, ich glaube wirklich daran.«
    Sie stellte das Brett auf das runde Tischchen vor dem Sofa, beide zogen ihre Stühle heran und beugten sich darüber. Sie stützte die Fingerspitzen leicht auf das Brett und schloss die Augen.
    »Stellen Sie jetzt die Frage«, sagte sie dumpf.
    »Wer hat Doktor Ellerbee ermordet?« fragte Estrella.
    »Nein, nein, Sie müssen die Frage an den Abgeschiedenen richten.«
    »Doktor Ellerbee«, versuchte Estrella es nun und war froh, dass Delaney nicht sehen konnte, was er hier trieb, »wer hat Sie getötet?«
    Sie warteten schweigend. Das Brett rührte sich nicht.
    »Wer hat Ihnen den Schädel zertrümmert, Doktor Ellerbee?« fragte der Kriminalist leise.
    Er sah fasziniert, wie das

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