Die vierte Zeugin
Titel:
Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Tanja u.a. Kinkel
,
Oliver Pötzsch
,
Martina André
,
Peter Prange
,
Titus Müller
,
Heike Koschyk
,
Lena Falkenhagen
,
Alf Leue
,
Caren Benedikt
,
Ulf Schiewe
,
Marlene Klaus
,
Katrin Burseg
hat.«
»Eine Sprache trocken wie ein Stück Kreide.« Sophie fischte ein weiteres Dokument hervor, und der Aktenstapel neigte sich bedrohlich zur Seite. »Hier zum Beispiel:
Acta et epistulae arcanae regis Caroli anno domini 1550
. Was in Gottes Namen soll das heißen? Ich meine …«
»Was hast du gesagt?« Augustin war eben dabei gewesen, sich ein Stück Käse in den Mund zu schieben, doch nun verharrte seine Hand reglos in der Luft.
»Ich sagte:
Acta et epistulae arcanae
.« Sophie lächelte. »Sag nur, du verstehst dein eigenes Winkeladvokatenlatein nicht mehr?«
Augustin schüttelte ungeduldig den Kopf und schob die mitgebrachten Speisen zur Seite. »Nicht das! Ich meinte die Jahreszahl. Welches Jahr ist angegeben?«
Noch einmal blickte Sophie auf das Pergament. »1550. Warum fragst du?«
»Verflucht! Diese ganzen Akten hatte ich schon längst aussortiert! Auf der Vorderseite der Behälter steht, sie seien aus dem Jahr 1520, also lange vor dem ersten Prozess.« Augustin erhob sich und trat auf die Kiste zu, aus der Sophie soeben das Dokument gezogen hatte. Aufgeregt stellte er den Behälter auf dem Tisch ab und begann, zwischen den zerfledderten Akten zu wühlen. Plötzlich stieß er einen leisen Schrei aus. Seine Finger hielten ein Dokument in die Höhe, das am Rand schwarze Spuren von Flammeneinwirkung zeigte und an dessen unterem Ende ein zerbrochenes Siegel hing.
Das Siegel des Kaisers.
Nachdem Augustin einige Zeilen überflogen hatte, griff er zum nächsten Dokument und schließlich wieder zum ersten.
»Was … was hast du?«, fragte Sophie ratlos.
Die Lippen des Anwalts wurden schmal.
»All diese Briefe stammen vom Prozess gegen deine Mutter«, sagte er leise. »Jemand muss sie absichtlich falsch einsortiert haben.« Er lachte verzweifelt auf. »Der alte Hauser hat nicht ganz Recht gehabt. Nicht
die
Krone hatte ihre Finger im Spiel. Es waren gleich mehrere!« Angewidert warf er das brüchige Pergament auf den Tisch.
»Mehrere?« Sophie sah ihn verdutzt an. »Willst du damit sagen, dass …?«
»Kaiser Karl V. und später sein Sohn, der spanische König, die englische Königin Maria Tudor – sie alle haben offenbar nachhaltig Druck auf das Gericht ausgeübt!«, unterbrach Augustin sie wütend. »Verstehst du, Sophie? Deine Mutter hatte nie auch nur die geringste Aussicht auf Erfolg! Alle Herrscher Europas haben diesen Prozess mit Argusaugen beobachtet. Vermutlich sind hohe Bestechungssummen geflossen. Der alte Richter Hauser, wahrscheinlich auch mein damaliger Mentor Mathis von Homburg, die bestellten Schöffen, alle waren sie vielleicht gekauft, damit deine Mutter diesen Prozess ganz sicher verliert!«
Mit ungläubigem Gesichtsausdruck setzte sich Sophie auf einen der Schemel. Ihre Hand spielte mit dem Amulett der Justitia, das um ihren Hals hing.
»Aber warum?«, flüsterte sie. »Gewiss, meine Eltern waren reich. Aber in den Augen all dieser Fürsten und Könige waren wir doch nur kleine Fische.«
Augustin schüttelte den Kopf. »Du verstehst nicht. Es ist genauso, wie es mir der alte Hauser gesagt hatte. Sie wollten einen Präzedenzfall schaffen! So viel Geld ging den Königshäusern verloren, weil verschuldete Ehemänner das Vermögen ihren Frauen überschreiben. All die Gerichte in Europa haben seit dem Fall Imhoff nun die Möglichkeit, auf dieses Urteil zurückzugreifen. Der Kläger Richard Charman war nichts weiter als eine Marionette!«
»Augenblick mal!« Sophie deutete aufgeregt auf die Briefe mit den Königssiegeln. Ihre Stimme zitterte plötzlich. »Was ist, wenn die Krone selbst den Mord an meinem Vater damals in Auftrag gegeben hat? Vielleicht hat er ja herausgefunden, dass der Prozess gegen ihn nichts weiter als eine politische Intrige war, und wurde deshalb ausgeschaltet?« Sie hielt Augustin den Brief der englischen Königin unter die Nase. »Wenn wirklich halb Europa am Ausgang des Prozesses interessiert war, dann kommt es auf ein Menschenleben mehr oder weniger sicher nicht an.«
Augustin sah ihr eine Zeit lang nachdenklich in die Augen. Schließlich schüttelte er den Kopf. »Erinnere dich, Sophie. Deinem Vater wurde ein Anhänger mit einem silbernen Kruzifix gestohlen. Alles deutete auf Raubmord hin.«
»Vielleicht hat man es nur danach aussehen lassen wollen.«
»Und dass dein Vater genau an dem Abend starb, als er vom Ehebruch deiner Mutter erfuhr? Was ist damit?« Augustin zuckte mit den Schultern. »Und selbst wenn es so wäre, wie du gesagt hast, wir könnten
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