Die vierte Zeugin
Titel:
Die vierte Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Tanja u.a. Kinkel
,
Oliver Pötzsch
,
Martina André
,
Peter Prange
,
Titus Müller
,
Heike Koschyk
,
Lena Falkenhagen
,
Alf Leue
,
Caren Benedikt
,
Ulf Schiewe
,
Marlene Klaus
,
Katrin Burseg
meinethalben, Herr von Küffen.«
»Ich danke Euch«, entgegnete Augustin von Küffen und räusperte sich. Dann sah er nochmals zu Mathis von Homburg hinunter, doch der wandte den Blick ab.
»Ich bitte um Vergebung, Hoher Rat, und dennoch kann ich nicht anders, kann nicht tatenlos zusehen, wie Frau Imhoff, der bereits so viel Leid geschehen ist, noch tiefer ins Unglück gestürzt wird. Habt Ihr denn nicht vernommen, wie sehr sie unter den Grausamkeiten ihres verstorbenen Mannes gelitten hat, wie sie tagein, tagaus um ihr eigenes, ja gar das Leben des geliebten Kindes bangte? Soll es ihr denn verweigert werden, den Beweis dafür zu erbringen, dass diese Unterschrift deshalb nicht rechtens ist? Es geht doch darum, die Wahrheit zu erkennen und gerecht zu urteilen, und um nichts sonst. Ist sie denn schuldig, so will ich nichts gesagt haben, aber sie ist es nicht. Sie ist ein Opfer, keine Täterin. Sie tun Ihr Unrecht.«
Dabei reckte Augustin von Küffen die Faust in die Höhe, so sehr hatte er sich in Rage geredet. Er schien sich dessen allerdings erst einige Augenblicke später gewahr zu werden. Rasch ließ er den Arm wieder sinken und fuhr fort: »Um dies beweisen zu können, erbitte ich vom Hohen Gericht, eine ausgeweitete Zeugenbefragung durchzuführen, um danach das vorliegende Rechtsgutachten neu zu bewerten. Es gibt handfeste Hinweise darauf, dass der verstorbene Andreas Imhoff seine Frau unter Druck gesetzt hat. Und zwar mithilfe körperlicher Züchtigung und Gewaltandrohung, deren Maß weit über den einem Ehemann zustehenden Rahmen hinausreichte. Dies könnte etwa die langjährige Magd des Hauses Imhoff, Stingin Bruwiler, bezeugen, und bestimmt finden sich noch andere glaubwürdige Menschen. Dadurch könnte bewiesen werden, dass Andreas Imhoff die Unterschrift seiner Frau erpresst hat und dass sie deshalb zum Zeitpunkt der Zeichnung des Schuldscheins eben nicht voll geschäftsmündig war, sondern vorsätzlich dazu genötigt wurde.«
Damit setzte sich Augustin von Küffen auf die Bank zurück, legte seine wie zum Gebet gefalteten Hände vor sich auf den Tisch und blickte unsicher in die Runde.
Richard Charman hörte nichts außer seinem eigenen Herzschlag und ein entferntes Rauschen, das gleiche Rauschen, das ihn früher so fasziniert hatte und das in den großen Muscheln gefangen war, die er in Sussex als Kind am Strand gefunden hatte. Dumpf und düster hallte es nach. Doch nicht das Meer seiner Vorfahren und seine nebelverhüllten Legenden tobten in ihm, es waren Verzweiflung und Ohnmacht über die Vorfälle in diesem Gerichtssaal. Richard Charman wandte seinen Blick Helmbert Bellendorf zu, dem der Mund offenstand. Allmählich fasste sich der Advokat wieder, schüttelte den Kopf und gestand flüsternd: »Er hat doch tatsächlich hinter dem Rücken seines Mentors etwas angezettelt. Ich habe diesen Jungen wirklich unterschätzt.«
»Was bedeutet das für uns?«, wollte Charman ungeduldig wissen, dem selbst das Quäntchen Bewunderung für von Küffen in Bellendorfs Stimme unangebracht schien. Unsanft packte er seinen Anwalt am Arm.
Bellendorf befreite sich aus Charmans Griff, sah ihn an und zischte: »Das bedeutet gar nichts, außer dass sich dieser junge Heißsporn in die Herzen der Menschen geredet hat. Einwände und Eingaben dieser Art müssen immer vor Prozessbeginn gestellt werden, nicht währenddessen. Hauser hat keinen Grund, diesem nicht einmal formellen Antrag zuzustimmen, ganz gleich, wie sehr Frau Imhoff jammert und wie schön von Küffen daherplappert.«
Dr. Hieronymus Hauser indes saß mühsam beherrscht hinter seinem Richtertisch. Er machte nicht den Eindruck, als wäre seine Entscheidung bereits gefallen, sondern als würde er vielmehr genau abwägen, was zu tun war. Charman beobachtete, wie der Blick des Richters immer wieder zwischen den beiden Parteien hin und her sprang und auch die verbliebenen Prozessbesucher erfasste, die der überzeugenden Rede Augustin von Küffens zweifelsohne verfallen waren und gespannt darauf warteten, was das Gericht befinden würde. Das Volk war für Agnes Imhoff, und wer gegen die Beklagte war, war auch gegen das Volk. Spürte das auch der Richter?
Endlich räusperte sich Hieronymus Hauser und verkündete mit fester Stimme: »Das Gericht nimmt Euren Einwand, Herr von Küffen, zur Kenntnis und wird darüber sogleich mit den Advokaten beider Parteien im Richterzimmer beraten. Euer Betragen hingegen ist eine schlicht unverschämte Respektlosigkeit gegenüber
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