Die vierzig Geheimnisse der Liebe / ebook
häusliche Leben nicht gewohnt und taugen nicht als Ehemänner.«
»Das macht nichts. Er kann sich ändern«, erklärte ich mit aller Bestimmtheit. »Ich werde ihm so viel Glück und Liebe schenken, dass er sich einfach ändern muss. Er wird lernen, ein guter Ehemann und Vater zu sein.«
Damit war das Gespräch zu Ende. Ich weiß nicht, was Kira in diesem Moment in meinem Gesicht sah, jedenfalls erhob sie nun keine Einwände mehr.
In dieser Nacht schlief ich ganz ruhig. Ich war selig und sehr entschlossen. Ich ahnte ja nicht, dass ich kurz davor war, den häufigsten und schmerzlichsten Fehler zu begehen, den Frauen aller Zeiten begangen hatten: in ihrer Einfalt zu glauben, sie könnten die Männer, die sie liebten, mit ihrer Liebe verändern.
KIRA
KONYA, MAI 1247
B ald schon stellte ich Kimya keine weiteren Fragen mehr – nicht weil mich ihre Antworten überzeugten, sondern weil mir ihre Augen sagten, dass sie verliebt war. Etwas so Tiefgründiges und Heikles wie die Liebe anzusprechen gleicht dem Versuch, einen Sturm zu bändigen. Man ahnt, welchen Schaden er anrichten wird, und vermag doch nicht, ihn aufzuhalten. Deshalb stellte ich diese Heirat nicht weiter in Frage und nahm sie als eines der merkwürdigen Dinge im Leben hin, die man nicht beeinflussen kann.
Der Ramadan ging so schnell vorbei und war so arbeitsreich, dass ich gar nicht die Zeit fand, weiter über die Sache nachzudenken. Eid fiel auf einen Sonntag. Vier Tage später verheirateten wir Kimya mit Schams.
Am Vorabend der Hochzeit geschah etwas, was meine Stimmung von Grund auf veränderte. Ich saß allein in der Küche vor einem bemehlten Brett und einem Rollholz und machte Brotfladen für die Gäste. Und plötzlich begann ich, ohne mir dessen recht bewusst zu sein, aus einem Teigklumpen eine Figur zu formen: eine kleine, sanfte Muttergottes. Meine Muttergottes. Mit einem Messer schnitt ich das lange Gewand und das stille, mitfühlende Gesicht in den Teig. Ich war so vertieft, dass ich es nicht bemerkte, als jemand hinter mich trat.
»Was machst du da, Kira?«
Mein Herz tat einen Sprung. Als ich mich umwandte, sah ich Schams in der Tür stehen und mich mit fragendem Blick betrachten. Ich spielte kurz mit dem Gedanken, den Teig zu verstecken, aber es war schon zu spät. Schams trat an das Brett und musterte die Figur.
»Ist das Maria?«, fragte er, und als ich ihm keine Antwort gab, sah er mich mit strahlender Miene an. »Sie ist wunderschön. Vermisst du Maria?«
»Ich bin schon vor langer Zeit zum Islam übergetreten. Ich bin Moslemin«, erwiderte ich barsch.
Doch Schams sprach weiter, als hätte er es gar nicht gehört. »Vielleicht fragst du dich, warum der Islam keine weibliche Gestalt wie Maria kennt. Es gibt zwar Aischa und natürlich auch Fatima, aber vielleicht ist das nicht dasselbe für dich.«
Mir war unbehaglich zumute. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
»Darf ich dir eine Geschichte erzählen?«, fragte Schams.
Und er erzählte mir Folgendes:
Es waren einmal vier Reisende, ein Grieche, ein Araber, ein Perser und ein Türke. Sie erreichten eine kleine Stadt und beschlossen, etwas zu essen zu kaufen. Jeder der vier behauptete, ihm schwebe die beste Speise der Welt vor. Als gefragt wurde, worum es sich handle, antwortete der Perser angur , der Grieche staphalion , der Araber aneb und der Türke üzüm . Und da keiner die Sprache des anderen sprach, begannen sie miteinander zu streiten.
Immer weiter zankten sie sich, und ihre Empörung und Bitternis wuchs mit jeder Minute, bis ein Sufi, der zufällig des Weges kam, ihren Streit unterbrach. Der Sufi ging und kaufte mit dem Geld, das sie untereinander gesammelt hatten, Weintrauben. Die legte er in ein Gefäß und drückte mit aller Kraft darauf. Dann gab er den Reisenden den Saft zu trinken und warf die Schalen weg, denn nicht die äußere Gestalt der Frucht war von Bedeutung, sondern ihr Wesen.
»Die Christen, Juden und Moslems sind wie diese Reisenden. Während sie sich um die äußere Gestalt streiten, ist es dem Sufi um das Wesen zu tun.« Schams schenkte mir ein Lächeln, aus dem solche Begeisterung sprach, dass es schwerfiel, sich nicht davon mitreißen zu lassen.
»Ich will damit sagen, dass du keinen Grund hast, die Jungfrau Maria zu vermissen, weil du sie überhaupt nicht aufzugeben brauchst. Du kannst dich auch als Moslemin mit ihr verbunden fühlen.«
»Ich … ich glaube nicht, dass das recht wäre«, stammelte ich.
»Ich wüsste nicht, wieso nicht. Die
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