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Die vierzig Geheimnisse der Liebe / ebook

Die vierzig Geheimnisse der Liebe / ebook

Titel: Die vierzig Geheimnisse der Liebe / ebook Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elif Shafak
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müsst, ehe ihr eure Entscheidung trefft.«
    Der Meister teilte uns mit, die Reise werde voller Gefahren und beispielloser Mühsal sein, und niemand könne garantieren, dass es einen Weg zurück gebe. Augenblicklich gingen alle Hände hinunter. Außer meiner.
    Zum ersten Mal seit Langem sah mir Baba Zaman unverwandt in die Augen, und kaum hatten sich unsere Blicke getroffen, war mir klar: Er hatte von Anfang an gewusst, dass nur ich mich freiwillig melden würde.
    »Schams-e Tabrizi«, sagte er so langsam und verdrossen, als hinterließe mein Name einen strengen Geschmack in seinem Mund, »ich achte deine Entschlossenheit, aber du bist kein vollwertiges Mitglied dieses Ordens, sondern nur ein Gast.«
    »Warum sollte das ein Hindernis sein?«, fragte ich.
    Der Meister fiel in ein langes, nachdenkliches Schweigen. Dann erhob er sich mit einem Mal und sagte: »Wir wollen die Sache fürs Erste auf sich beruhen lassen. Wenn der Frühling kommt, reden wir weiter darüber.«
    Mein Herz begehrte auf. Obwohl Baba Zaman wusste, dass ich nur dieses Auftrags wegen überhaupt nach Bagdad gekommen war, beraubte er mich der Möglichkeit, mein Schicksal zu erfüllen.
    »Aber warum, Meister? Warum soll ich warten, obwohl ich bereit bin, sofort zu gehen? Nenn mir den Namen der Stadt und des Gelehrten, und ich mache mich sofort auf den Weg!«, rief ich.
    Doch der Meister erwiderte in einem abweisenden, strengen Ton, den ich von ihm nicht kannte: »Es gibt darüber nichts zu sagen. Die Versammlung ist beendet.«
    Es war ein langer, harter Winter. Der Garten war steif gefroren, genau wie meine Lippen. In den folgenden drei Monaten sprach ich mit niemandem ein Wort. Ich ging jeden Tag lange auf dem Land spazieren, immer in der Hoffnung, einen blühenden Baum zu entdecken. Doch nach dem Schnee kam noch mehr Schnee. Nicht einmal am Horizont erschien der Frühling. Aber so niedergeschlagen ich äußerlich auch wirkte, innerlich blieb ich dankbar und hoffnungsfroh und hielt mich an eine weitere Regel, die genau zu meiner Stimmung passte. Was auch im Leben geschieht, wie schlimm auch alles erscheinen mag, meide stets das Reich der Verzweiflung. Selbst wenn alle Türen verschlossen bleiben, wird Gott dir einen neuen Weg eröffnen. Sei dankbar! Wenn alles gut ist, fällt die Dankbarkeit leicht. Ein Sufi ist nicht nur für das dankbar, was er bekommen hat, sondern auch für das, was ihm versagt blieb.
    Eines Morgens sah ich eine blendend schöne Farbe, lieblich wie ein sanftes Lied, aus den Schneehaufen ragen. Es war ein Buschklee mit winzigen lavendelfarbenen Blüten. Mein Herz füllte sich mit Freude. Auf dem Rückweg zur Derwisch-Bruderschaft traf ich den rothaarigen Novizen und begrüßte ihn fröhlich. Ihm blieb der Mund offen stehen, so lange hatte er mich nur mürrisch schweigend erlebt.
    »Lächle, mein Junge!«, rief ich. »Spürst du denn nicht den Frühling in der Luft?«
    Von diesem Tag an veränderte sich die Landschaft in erstaunlicher Geschwindigkeit. Der letzte Schnee schmolz, die Bäume knospten, Spatzen und Zaunkönige kehrten zurück, und bald darauf erfüllte ein schwach würziger Duft die Luft.
    Eines Morgens erklang wieder die Kupferglocke. Diesmal war ich der Erste im Hauptraum. Wieder ließen wir uns in einem großen Kreis rings um den Meister nieder und lauschten seinen Worten über den berühmten Gelehrten des Islam, der alles kannte außer die Abgründe der Liebe. Und wieder meldete sich kein anderer freiwillig.
    »Nur Schams hat sich bereit erklärt«, verkündete Baba Zaman mit hoher Stimme, die sich verlor wie das Heulen des Windes. »Aber ich werde mit der Entscheidung warten, bis es Herbst ist.«
    Ich war fassungslos. Ich konnte es nicht glauben. Nach drei langen Monaten des Aufschubs war ich bereit zu gehen, und jetzt sagte mir der Meister, meine Reise werde sich noch einmal um sechs Monate verzögern. Mit schwerem Herzen erhob ich Widerspruch, ich klagte und flehte den Meister an, mir den Namen der Stadt und des Gelehrten zu nennen, doch er weigerte sich wie zuvor.
    Diesmal aber wusste ich, dass mir das Warten leichter fallen würde, denn einen weiteren Verzug würde es nicht geben. Nachdem ich die Zeit zwischen Winter und Frühling ertragen hatte, würde ich auch vom Frühling bis zum Herbst durchhalten. Baba Zamans Abfuhr hatte mich nicht entmutigt, sondern gestärkt und noch entschlossener gemacht. Denn eine weitere Regel besagte: Geduldig sein bedeutet nicht, etwas untätig zu ertragen. Geduldig sein

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