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Die Violine des Teufels

Die Violine des Teufels

Titel: Die Violine des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Gelinek
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sollte.
    »Sie glauben ganz offenkundig nicht an außersinnliche Wahrnehmung.«
    Damit hatte sie ihn überrumpelt. Er wollte nicht unhöflich sein, daher zögerte er mit der Antwort und suchte nach einem Weg, seine Skepsis möglichst verbindlich zum Ausdruck zu bringen.
    Die Psychologin schien zu spüren, was ihm durch den Kopf ging, denn sie fügte hinzu: »Sie brauchen sich nicht zu rechtfertigen. Es gibt so viele Schwindler auf diesem Gebiet, dass Skepsis nicht nur verständlich, sondern sogar ratsam ist. In Spanien gibt es nicht viele Parapsychologen, die für die Polizei arbeiten, aber Sie ahnen ja nicht, wie viele es in anderen Ländern gibt. In der Regel treffen sie rückwirkend ins Schwarze. Zum Beispiel könnte einer dieser Parapsychologen sagen: ›Ich sehe Wasser und die Zahl 13.‹ Und wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind – zum Beispiel bei einer Entführung –, stellt die Polizei fest, dass es in der Gegend ein Wasserreservoir gibt und die Postleitzahl für die Straße 28 013 lautet. Die Angaben des Hellsehers haben zwar gar nicht zum Aufenthaltsort der Entführer geführt, aber niemand kann leugnen, dass sie zutreffen.«
    »Aber wenn das Wasser zu einem öffentlichen Schwimmbad gehört hätte und die 13 eine Hausnummer gewesen wäre, hätte der Parapsychologe das auch als Treffer gewertet, nicht wahr?«
    »Genau. Das Geheimnis dieser Leute besteht darin, mehrdeutige Angaben zu machen.«
    »Aber wenn die Polizei diese Tricks kennt, warum arbeitet sie dann trotzdem mit Hellsehern?«
    »Weil die mit sehr unterschiedlichen Techniken arbeiten, nicht nur mit solchen todsicheren Aussagen. Manchmal gelangen die vermeintlichen Hellseher auf konventionellem Wege an sehr solide Informationen, die sie dann an die Polizei weitergeben, als hätten sie sie durch außersinnliche Wahrnehmung erlangt. Es gibt Fälle von Hellsehern, die sich als Mordermittler ausgegeben oder die irgendeinen Polizisten bestochen haben, damit er ihnen Informationen über bereits vorliegende Ermittlungsergebnisse gibt.«
    »Dass sie so unverfroren sind, war mir nicht klar.«
    »Das sind natürlich Extremfälle. Normalerweise gelangen diese Leute mit der Technik der Kartenleger an ihre Informationen, also indem sie genau auf die Reaktionen ihrer Kunden achten. Zum Beispiel: ›Ich sehe Arbeit.‹ ›Das kann nicht sein, ich bin arbeitslos.‹ – ›Das weiß ich. Aber ich sehe, dass Sie bald eine Arbeit finden werden.‹«
    Perdomo hatte die Szene regelrecht vor Augen. »Ich muss zugeben, dass Sie das Phänomen offenbar genauestens studiert haben«, räumte er ein.
    »Als mir klarwurde, dass ich gewisse Fähigkeiten erworben hatte – das war vor drei Jahren, nachdem ich an einem Gehirntumor operiert worden war –, da habe ich mich gründlich über die Sache informiert. Tatsache ist, es gibt Menschen, die außerordentlich geschickt darin sind, den Ungläubigen etwas zu suggerieren. Haben Sie beispielsweise schon einmal vom Forer-Experiment gehört?«
    »Offen gesagt nicht.«
    »1948 unterzog ein Psychologe namens Bertram Forer seine Studenten einem Persönlichkeitstest und händigte ihnen hinterher eine Analyse ihres Charakters aus, die sie dann mit Noten zwischen 0 und 5 bewerten mussten. Die Durchschnittsnote betrug 4,26. Danach enthüllte er seinen Studenten, dass er allen dieselbe Analyse gegeben hatte, aber jeder hatte sie als zutreffend empfunden. Sie können sich sicher vorstellen, was für Allgemeinplätze er verwendet hatte, allesamt aus Horoskopen: ›Du möchtest, dass die Menschen dich lieben und bewundern, aber trotzdem bist du selbstkritisch.‹ Solche Aussagen.«
    Plötzlich wurden sie von der Stimme einer alten Frau unterbrochen, die laut nach Ordóñez rief.
    »Milaaa, Milaaaa!«
    Sie erhob sich, wie von der Tarantel gestochen, und sagte: »Das ist meine Mutter. Ich bin gleich wieder da.«
    Als sie die Tür öffnete, bemerkte Perdomo, dass der Fernseher noch immer lief, aber kein Sender eingestellt war. Er hörte nur das unverwechselbare Rauschen, das ihm ein schwer zu beschreibendes Unbehagen einflößte. Es folgte ein kurzer Wortwechsel zwischen Mutter und Tochter, den Perdomo allerdings nicht verstand, dann herrschte völlige Stille.
    Unruhig stand er ebenfalls auf. Er hatte das Gefühl, zu stören. Als Ordóñez zurückkam, wunderte sie sich darüber, dass er aufgestanden war.
    »Wollen Sie schon gehen?«
    »Ja. Sie haben mir gesagt, was ich wissen wollte, nämlich dass Sie keine Beweisstücke aus dem

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