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Die Vipern von Montesecco

Die Vipern von Montesecco

Titel: Die Vipern von Montesecco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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Boden, doch der Strick hielt.
    »Warte auf mich!« sagte Sonia. Sie mußte noch ihre Lieblingsplatten einpacken. Und die blauen Schuhe. Unddas Goldkettchen, das sie von Papa zum Geburtstag bekommen hatte.
    Sabrina riß heftig an der Leine. Gigolo jaulte, ließ sich einen halben Meter mitschleifen und gab dann auf. Folgsam trabte er hinter Sabrina her. Ohne sich umzusehen, hielt sie auf das Ostende der Piazza zu. Sonia folgte zögernd. Ihre Platten würde sie unterwegs doch nicht abspielen können. Sie würde selbst singen, egal, was Sabrina sagte. Und das Kettchen würde sie irgendwann holen. Spätestens vor ihrem ersten Auftritt in San Remo. Da würde sie es tragen, und am Schluß, wenn alle begeistert applaudierten, würde sie sagen, daß es ein Geburtstagsgeschenk von ihrem Papa war.
    Sie holte Sabrina an den Stufen neben Marisa Curzios Haus ein. Gigolo zog nach links, zur Bar hoch.
    »Nein, Gigolo, da runter!« Sabrina riß ihn an der Leine zurück.
    »Nicht so fest«, sagte Sonia, »du tust ihm weh.«
    »Er ist ein blöder Hund. Ich kann ihn nicht leiden«, sagte Sabrina.
    Das stimmte nicht. Sabrina hatte ihn oft genug gestreichelt. Früher wenigstens. Noch vor ein paar Tagen.
    »Er muß folgen«, sagte Sabrina. »Er kann nicht einfach zur Bar hoch laufen, nur weil er immer zur Bar hoch gelaufen ist.«
    Sonia nickte.
    »Bloß weil er vielleicht etwas zu fressen will«, sagte Sabrina.
    »Sag mal ...!« sagte Sonia
    »Was?«
    »Nichts«, sagte Sonia. Sie war auf jeden Fall froh, daß Gigolo dabei war. Vielleicht würde sie später mal ein Lied über einen kleinen Hund dichten, der die Insel, die es nicht gab, suchte.
    Im Vorbeigehen warf Sonia einen Blick in die Gasse rechts. Die Nachmittagssonne erreichte den Boden nichtmehr. Die Schattengrenze lag hart auf der Wäsche, die bei Sgreccias unter den Fenstern des ersten Stocks hing. Geradeaus öffnete sich der Torbogen.
    Sonia blickte auf den Weg, der steil abfiel und unten in die Straße mündete, die rechts Richtung Pergola und links am Friedhof vorbei nach San Lorenzo führte. Gigolo blieb stehen. Er knurrte.
    »Er will hierbleiben«, sagte Sonia. Sie war sich nicht sicher, ob sie nicht auch hierbleiben wollte.
    »Ich hasse ihn«, sagte Sabrina, doch sie zog vorsichtiger am Strick als zuvor.
    Gigolo stemmte die Beine ein. Er knurrte lauter, bellte. Kläffend sprang er hoch, auf die Mauer des Torbogens zu, zweimal, dreimal, auch wenn er sich wegen der straff gespannten Leine jedesmal fast erwürgte.
    Dann sah Sonia sie auch. An der Innenseite des Torbogens waren ein paar Ziegel aus der Mauer gebrochen. In der Lücke, etwa auf Kopfhöhe eines erwachsenen Mannes, balancierte eine erdfarbene Schlange. Der Schwanz hing etwas weiter herab als der dreieckige Kopf. Die lidlosen Augen schienen durchs Tor nach Montesecco hineinzustarren. Gigolo bellte wie verrückt.
    »Kusch!« befahl Sabrina. Sie zog den Hund an sich und beugte sich zu ihm hinab.
    »Sei jetzt still!« sagte sie. Gigolo knurrte tief. Seine Nackenhaare sträubten sich.
    »Ist sie tot?« fragte Sonia. Die Viper war fast so lang wie sie selbst und so dick wie Franco Marcantonis Gartenschlauch.
    »Natürlich ist sie tot«, sagte Sabrina. »Glaubst du, eine lebendige Viper hängt an einer Mauer und rührt sich nicht, wenn ein Hund sie ankläfft?«
    Sonia wich etwas zurück. Vipern konnten völlig starr und leblos erscheinen, doch kaum schickte die Frühlingssonne die ersten wärmenden Strahlen herab, wachten sie auf und bissen zu. Es war zwar heiß, es war nicht Winter,doch was besagte das schon? Vielleicht verstellte sich die Viper nur. Sonia war sich nicht sicher, ob Vipern überhaupt sterben konnten.
    »Halt mal den Hund!« sagte Sabrina. Sonia ging in die Hocke und legte beide Arme um Gigolos schmutziges Fell. Sie spürte sein kehliges Knurren mehr, als sie es hörte.
    Sabrina umrundete den Torbogen, griff über das Gatter von Marcantonis Grund am Fuß der Stadtmauer und brach einen Haselnußzweig ab. Sie tippte die Schlange am Schwanz an. Er schaukelte ein wenig und pendelte langsam aus. Dann hob Sabrina mit dem Zweig den spitzen Kopf an. Die Viper tat, als wäre sie tot.
    »Ksssst«, machte Sabrina.
    »Hör auf!« sagte Sonia.
    »Sie ist mausetot«, sagte Sabrina. Sie warf den Zweig weg, packte die Schlange mit der Hand am Schwanz und ließ sie auf den Boden gleiten. Gigolo knurrte wieder lauter.
    »Faß sie mal an!« sagte Sabrina. »Sie ist ganz fest und kühl und glatt.«
    Nie würde Sonia eine Viper

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