Die Vipern von Montesecco
Ist es nicht so, Kindchen?«
Catia sagte nichts.
Costanza trocknete sich die Finger an einem karierten Geschirrtuch. Sie fragte: »Und was ist mit dem dritten?«
»Der dritte?« Catia strich sich die Haare aus der Stirn.
»Na der, der dich geschwängert hat.«
»Das ist etwas anderes.«
Costanza brummte vor sich hin. Fast hätte sie sich Sorgen gemacht, doch die Kleine war stark genug. Die würde sich entscheiden können, sobald es etwas zu entscheiden gab. Costanza holte ihre Tarotkarten aus der Kommode und breitete sie verdeckt vor Catia aus.
»Zieh eine, Kindchen! Los!«
Catia zögerte einen Moment, deckte dann aber eine Karte auf. Es war der Gehenkte.
»Weißt du, was das bedeutet?« fragte Costanza.
Catia schüttelte den Kopf.
»Gesundheit, Glück und ein langes Leben«, sagte Costanza. Sie schob die anderen Karten zusammen.
»Geld regiert die Welt«, trällerte der Americano vor sich hin. Ihm gegenüber saß der alte Curzio. Er hatte das As und die Acht von Coppe sowie den Bastone-König auf der Hand. Bastone war Trumpf.
»Geld, Money, Denaro«, trillerte der Americano.
»Ich weiß nicht, wie ihr das in Detroit macht«, sagte Angelo Sgreccia. »In Montesecco spielen wir stummes Briscola.«
»Nur Zeichen sind erlaubt«, sagte der alte Sgreccia.
»Aber geredet wird nicht«, sagte Angelo.
»Man wird doch noch vor sich hin summen dürfen«, sagte der Americano.
»Summen schon«, sagte Benito Sgreccia. Er hustete tief.
»Schlaf nicht ein, Curzio! Komm raus!« sagte Angelo.
Der Americano starrte Curzio hypnotisierend an. Die weit aufgerissenen Augen forderten ihn wohl auf, die Denaro-Zwei auszuspielen, doch Curzio hatte weder die Zwei noch sonst eine Karte mit den stilisierten runden Geldstücken auf der Hand. Er schnippte die Bastone-Acht auf den Tisch. Der Americano verdrehte die Augen.
Angelo übernahm mit der Bastone-Drei. Die zählte zehn Punkte, und so stach der Americano mit dem Trumpf-Pferd. Lässig warf Benito Sgreccia das Trumpf-As darauf.
»Wer kann, der kann«, sagte er und nahm als erster eine neue Karte vom Stoß auf.
»Vierundfünfzig«, sagte der Americano. »Noch habt ihr nicht zu.«
Er war am Nachmittag angekommen, und während seine Frau die Koffer ausgepackt und das Haus auf Vordermann gebracht hatte, war er bei seiner Begrüßungsrunde über die Ereignisse der letzten Tage in Kenntnis gesetzt worden. Zuerst hatte er getönt, wie sie in Amerika so einen Fall lösen würden, hatte vom Abgleichen der Fingerabdrücke, von kriminaltechnischer Erfassung aller Mikrospuren, von Profiling und gerichtsmedizinisch fachgerechter Zerlegung der Leichen gefaselt, doch als er darauf hingewiesen wurde, daß die Leichen nach Auffassung der Dorfbewohner keine mehr oder minder ergiebige Sammlung von Spuren waren, sondern Giorgio und Carlo Lucarelli, war er schweigsamer geworden. Und nach dem Kondolenzbesuch bei den Lucarellis schien ihm das Interesse am Kriminalfall völlig vergangen zu sein.
Vielleicht hatte er aus all dem Ungeheuerlichen auch den Schluß gezogen, daß das Montesecco, wegen dem er alljährlich über den großen Teich flog, in ernster Gefahr schwebte und nichts nötiger brauchte als Normalität. Und deshalb hatte er keine Ruhe gegeben, bis er drei Opfer gefunden hatte, die bei einem Gläschen Wein mit ihm ein paar Runden Briscola spielten. Nun saßen sie zu viert um ein wackliges Tischchen auf der Piazzetta und starrten in ihre Karten.
Angelo Sgreccia zeigte mit dem Daumen auf den Americano und sagte: »So, wie er vorhin geredet hat, hat er noch zweimal Denaro.«
»Das As und eine Lusche.« Benito Sgreccia nickte.
»He, he, geredet wird nicht!« protestierte der Americano.
Benito zog Spade. Wegen des Spielstands mußten Curzio und der Americano stechen, obwohl so der offenliegende Trumpf ganz unten im Stoß an den Gegner fallen würde. Nacheinander nahmen sie die letzten Karten auf und schoben dem jeweiligen Partner das eigene Blatt zur Ansicht zu, wie es vor den Schlußrunden üblich war.
»Sieht eher schlecht für euch aus, was?« sagte Angelo.
»Wenn Curzio Denaro gespielt hätte ...«, sagte der Americano.
»Woher nehmen, wenn nicht stehlen?« fragte Curzio.
»Aber wenn er Denaro gehabt hätte ...«, sagte der Americano und spielte das As aus.
»Geld, Money, Denaro«, trällerte Angelo. Er stach ein. Die Sgreccias machten zwei der letzten drei Stiche und gewannen mit über achtzig Punkten.
»Goddam«, brummte der Americano.
»Don’t swear, sweetheart!« sagte
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