Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Vipern von Montesecco

Die Vipern von Montesecco

Titel: Die Vipern von Montesecco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
Vom Netzwerk:
... nein«, sagte Curzio, »es ist nur ..., es geht um einen Ihrer Fahrer. Was ist mit Ihren Angestellten?«
    Der Mann schwieg einen Moment zu lang. Dann sagte er: »Wir haben Pleite gemacht. Konkurs, verstehen Sie?«
    »Tut mir leid«, sagte Curzio.
    »Tja«, sagte der Mann, »also dann ...«
    »Moment«, sagte Curzio. »Wann? Wann haben Sie Pleite gemacht?«
    »Vor einem Monat.«
    »Und Ihre Fahrer?«
    »Die Zeiten sind schlecht«, sagte der Mann.
    »Einer Ihrer Fahrer war ...«, sagte Curzio, doch der Mann hatte schon aufgelegt.
    Angelo Sgreccia!
    »Ich fange jetzt an«, rief Marisa von unten.
    Angelo Sgreccia hatte am fraglichen Dienstag keinen LKW nach La Spezia gefahren. Zumindest nicht für die Spedition Melli. Vielleicht hatte er irgendwo anders sofort wieder Arbeit gefunden. Obwohl die Zeiten schlecht waren. Obwohl er kein Wort dazu hatte verlauten lassen. Curzio hätte jetzt einen Grappa gebrauchen können. Er nahm einen Rotstift und schrieb auf die Karteikarte Angelos: Alibi mehr als fraglich.
    Dann ordnete er die Karte alphabetisch ein. Er mußte jetzt die Carabinieri anrufen. Wenn er mit ihm nicht sprach, sollte Angelo denen erklären, bei wem er seit wann arbeitete. Und wo er sich an dem Tag, als Giorgio Lucarelli umkam, aufgehalten hatte.
    Curzio richtete den Stapel Karteikarten kantengenau aus. Dann trat er ans offene Fenster. Die Gasse lag im Schatten, die Läden vor dem Haus gegenüber waren fest verschlossen. Der Americano hätte eigentlich schon dasein müssen. Nach seiner Auswanderung hatte man ein paar Jahrzehnte lang praktisch nichts von ihm gehört, aber seit er in Rente war, kam er jeden Sommer nach Montesecco zurück. Seine Frau, eine echte Amerikanerin aus Detroit, ächzte dann mit Fächer und leidendem Gesichtsausdruck durchs Dorf, was den Americano nicht daran hinderte, auf dem Balcone stundenlang Briscola zu spielen und die alten Zeiten zu beschwören.
    »Ich habe hier ein Haus, ich habe drüben ein Haus. Wenn es ihr hier nicht gefällt, soll sie halt drüben bleiben«,sagte der Americano, doch seine Frau kam immer mit, Jahr für Jahr, zwei Monate lang, in denen sie mißmutig hinter ihrem Fächer herwackelte und mit ihrem schrecklichen Akzent pro Monat gerade mal zwanzig Worte mit anderen wechselte.
    Montesecco war nichts für Fremde, Montesecco war etwas für die, die hier geboren und aufgewachsen waren. Die mit jedem Pflasterstein auf der Piazza Erinnerungen verbanden, die jeden kümmerlichen Schattenfleck zur Mittagszeit kannten, die von jedem Hof in der Umgebung wußten, wann da wer eingeheiratet hatte. Montesecco war etwas für Leute, die sich jahrzehntelang Tag für Tag auf der Bank am Dorfeingang trafen. Die dort neben der Aleppo-Kiefer saßen und mit verkniffenen Augen über die gleißenden Felder schauten, bevor sie den Grappa hervorholten und sich ein Gläschen genehmigten.
    Curzio überlegte, wie viele Flaschen sie wohl zusammen getrunken hatten, Benito und er. Es waren ziemlich viele. Vielleicht erklärte das, warum Benito in letzter Zeit so verschroben war. Der Alte baute einfach ab. Auch sein Husten war schlimmer geworden. Und jetzt noch der mißratene Sohn, der sich ein ziemlich fragwürdiges Alibi zusammengeschustert hatte.
    Curzio starrte auf die verschlossenen Läden gegenüber und fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Er würde die Carabinieri nicht anrufen. Die glaubten ja sowieso nicht, daß Giorgio Lucarelli ermordet worden war. Was irgendwer an jenem Dienstag gemacht habe, sei Privatsache, würden sie sagen. Und was er darüber mitteilen wolle erst recht, würden sie sagen. Mal abgesehen davon, daß sie von außen kamen.
    Und vielleicht war Angelo Sgreccia ja wirklich bei einer anderen Spedition untergekommen.
    Nerone trieb sich gern draußen herum. Er lauerte auf Mäuse, streunte über die Dächer und maunzte den Mondan. Was Kater halt in der Nacht so taten. Costanza Marcantoni gönnte ihm das. Normalerweise. Aber heute nicht. Heute mußte Nerone zu Hause bleiben.
    »Vielleicht werde ich dich ein paar Tage einsperren müssen«, murmelte Costanza. Sie trat vor die Tür ihres Hauses. Die Sonne war schon untergegangen, blaues Licht schwamm im Himmel. Ein Kondensstreifen zerfaserte rötlich gegen Nordwesten. Von der Piazzetta schwappten Gesprächsfetzen herauf. Wahrscheinlich feierten sie ihren Sieg über die Carabinieri. Die erfolgreiche Verteidigung einer Kühltruhe mit zwei Leichen drin.
    »Kindsköpfe!« murmelte Costanza. Die hatten ja keine Ahnung. Besaßen so

Weitere Kostenlose Bücher