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Die Vipern von Montesecco

Die Vipern von Montesecco

Titel: Die Vipern von Montesecco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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schließlich zwei verschiedene Probleme zu bewältigen. Er wollte den Verführer seiner Pflegetochter bestrafen, und er wollte Catia nicht an ihren leiblichen Vater verlieren. Käme es da nicht äußerst gelegen, wenn der erste ermordet und der zweite für diesen Mord wieder ins Gefängnis gesteckt würde? Jeder wußte, daß Vannoni eine Rechnung mit Lucarelli offen hatte. Automatisch war er der Verdächtige Nummer eins, wennes die äußeren Umstände nicht zweifelsfrei ausschlossen. Hatte Angelo deshalb bis zu Vannonis Entlassung gewartet?
    Aber das hieße ja, daß alles geplant war und daß er fest vorgehabt hatte, Lucarelli zu töten! Vielleicht war er mit einem Gewehr, das er dann Vannoni unterzuschieben gedachte, zu dem Olivenhain gestapft. Schließlich konnte er nicht wissen, daß Giorgio von einer Viper gebissen würde. Auch gut, hatte Angelo dann vielleicht gedacht, der Kindesverführer stirbt langsamer, und ich mache mir die Finger nicht schmutzig. Er hatte Giorgio mit dem Gewehr in Schach gehalten, bis dessen Körper den Kampf gegen das Gift verloren hatte, und dann hatte er den Leichnam an einen Ort gebracht, der Fragen aufwarf. Der vermuten ließ, daß es sich nicht um einen simplen Unglücksfall handelte. Denn er, Vannoni, sollte ja ebenfalls aus dem Weg geschafft werden.
    Ruhig! dachte Vannoni. Du hast dir vorgenommen, ruhig und bedachtsam vorzugehen. Und das ist alles nur Theorie.
    Wenn auch eine plausible Theorie, dachte Vannoni. Genügend plausibel auf jeden Fall, um Schwager Angelo in aller Ruhe ein paar Fragen zu stellen.
    Unversehens stand er vor Sgreccias Haus. Vannoni zögerte einen Moment, klopfte dann an die Tür und trat sofort ein. Seine Schwester Elena kam aus der Küche. Sie sagte »ciao«, wich aber seinem Blick aus. Vannoni hätte fragen sollen, was mit ihr war, doch er konnte nicht. Eins nach dem anderen.
    »Angelo ist oben bei Catia«, sagte Elena. »Ich glaube, daß sie nicht gestört werden wollen.«
    Elena wußte, wo sie stehen würde, wenn sie sich entscheiden müßte. Nicht auf seiner Seite. Vannoni spürte es.
    »Man wird ja mal nachfragen dürfen«, sagte er. In aller Ruhe.
    Elena zuckte die Achseln.
    Die Tür zu Catias Zimmer war angelehnt. Vannoni drückte sie auf. Das Zimmer erinnerte ihn an seine Gefängniszelle. Es hing zwar kein vergitterter Sichtschutz vor dem Fenster, doch die Größe und die spartanische Einrichtung stimmten. Vor allem aber lag es an den weiß getünchten, kahlen Wänden. Nirgendwo hing ein Foto, kein Poster von Schlagerstars oder in den Sonnenuntergang galoppierenden Wildpferden oder mit anderen Motiven, die Vannoni bei einem siebzehnjährigen Mädchen erwartet hätte. Doch was wußte er schon von seiner Tochter?
    Catia saß im Schneidersitz auf dem Bett und sagte: »Hi.«
    Sgreccia saß auf dem einzigen Stuhl an dem winzigen Schreibtisch und sagte: »Ciao, Matteo.«
    Vannoni wurde sich bewußt, daß er zum erstenmal das Zimmer Catias betreten hatte. Das heißt, er hatte es noch nicht betreten, er stand an der Tür. Er nickte. Er sagte: »Ich müßte mal mit dir reden, Angelo.«
    »Nur zu.« Sgreccia breitete die Arme aus und grinste. Wenn man bedachte, wie ihn die Meute am Abend zuvor zugerichtet hatte, war er erstaunlich guter Laune.
    »Allein«, sagte Vannoni.
    »Wir haben keine Geheimnisse voreinander, Catia und ich«, sagte Sgreccia.
    Vannoni hörte dem Satz nach, konnte aber nicht feststellen, daß Sgreccia das »wir« besonders betont hatte. Er sollte nicht andauernd nach genau den versteckten Bedeutungen suchen, die er am meisten fürchtete. Er sollte die Worte nehmen, wie sie waren. Catia und Angelo hatten keine Geheimnisse voreinander. Punkt. Wenn das stimmte, hatte Catia ihm längst alles gestanden. Die Sache mit Giorgio Lucarelli. Dann hatte Sgreccia keinen Grund mehr gehabt, Lucarelli zur Rede zu stellen. Dann hatte er ihn nur aufgesucht, um ihn umzubringen. Und Catia wußte Bescheid. Denn es gab ja keinerlei Geheimnisse zwischen den beiden.
    Es ging nicht. Vannoni konnte sich vornehmen, was er wollte, die Gedanken mahlten in seinem Kopf, wuchsen zu monströsen Gebilden und gebaren noch schauerlichere Unterstellungen. Er fragte: »Woher wußtest du, daß Catia und Giorgio Lucarelli ...?«
    »Ich wußte gar nichts.«
    »Wieso hast du es vermutet?«
    »Männliche Intuition«, sagte Sgreccia und kicherte. Er schien das witzig zu finden.
    »Und seit wann weißt du es?« fragte Vannoni. Er verbesserte sich. »Das heißt, seit wann vermutest du

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