Die Vision
Kind übrig?«
»Hat er auch. Das hier ist etwas anderes. Er hat jetzt eine Frau in seinen Gemächern, und wenn sie seiner Lust gedient hat, bricht er ihr das Genick und läßt sie mit der Opfergabe herunterbringen.«
»Das klingt mir nicht alchimistisch. Asmodeus mag keine Frauen.«
»Nein – er sagt aber, das hat etwas mit Kunst zu tun.«
Malachi quollen die Augen aus dem Kopf, doch sein Leib blieb schlaff an die Wand gelehnt, so als hätte er nichts gehört. Er holte tief Luft.
»Die Zeit ist gekommen«, sagte er, stand vorsichtig auf und machte ein großes Getue beim Überprüfen der Gerätschaften. »Der Prozeß ist reif. Ich werde Gold herstellen.«
»Jetzt?« sagte Fray Joaquin zu ihm gewandt. »So bald schon. Nehmt Euch in acht mit Euren Versprechungen.« Aber in seinen Augen glitzerte die Habgier.
»Er wird scheitern«, fauchte Messer Guglielmo. »Darauf freue ich mich schon lange.«
»Nein, das werde ich nicht«, sagte Bruder Malachi, beugte sich über den Schmelztiegel, schüttete das Rote Pulver hinein und rührte mit dem eisernen Stab in sich überschneidenden Dreiecken das Pentagramm Salomonis; dazu psalmodierte er jedes Mal etwas Unverständliches, wenn der dunkle Stab in der glühenden Masse einen Winkel zog.
»Ich will, daß er noch heute abend freigelassen wird. Nicht morgen nach dem Zweikampf.« Meine Stimme klang fest. Ich stand ein paar Schritt vor der offenen Tür zum Schlafgemach des Grafen, doch meine Knie zitterten, und mir war übel. Der kleine Bruder Anselm hatte mich zur Tür begleitet und mir die ganze Zeit über die Heilige Ursula und ihre jungfräulichen Märtyrerinnen als leuchtendes Beispiel vor Augen gehalten.
»Die Krone der Tugend ist dem Sündenpfuhl vorzuziehen«, predigte er. »Zudem bin ich zu dem wohldurchdachten Schluß gekommen, daß man diesem Grafen nicht trauen darf. Weiß Gott nicht. Er könnte durchaus versuchen, Euch hereinzulegen, wenn er erst einmal hat, was er begehrt. Denn hätte er nicht Euren Mann laut jauchzend herbeischaffen, ihn mit Lorbeer bekränzen und ein Fest der Poesie feiern sollen? Das darf man von einem Edelmann erwarten. Doch er? Er ist ein schlechter Verlierer. Er macht Ausflüchte, besteht auf einem Turnier. Ich glaube, er wird Euch betrügen, und wie steht Ihr dann da? Die Tugend futsch und der Ehemann auch, denn dessen Ehre gebietet, daß er Euch verstößt, falls ihm etwas zu Ohren kommt.«
»Daran habe ich auch schon gedacht«, sagte ich. Mein Gott, sein Gerede konnte einen wahnsinnig machen! Wenn mich etwas aufbringt, dann jemand, der langsamer als ich ist und sich Gedanken über etwas macht, was auf der Hand liegt.
»Und ich sage Euch, Ihr seid einfältig. Frauen sind Einfaltspinsel. Darum sollten sie sich stets von Männern anleiten lassen.«
»Ist Euch nie in den Sinn gekommen, daß ich genau das mache? Und Ihr selber nennt es einfältig«, sagte ich. »So sagt mir denn, welcher Mann recht hat, dann tue ich auch meine Pflicht, ja?«
»Unser Herr Jesus Christus«, sagte er, richtete den Blick gen Himmel und bekreuzigte sich.
»Oh! Ihr habt gut reden!« Zornentbrannt machte ich auf dem Hacken kehrt, doch er war mir ohnedies bis zur Schwelle gefolgt. Die Tür stand weit offen. Dutzende von flackernden Kerzen erhellten den Raum. An den Wänden, zwischen den Haken, auf denen sein scheußlicher Satinwams und die riesige Bruch mit den spitzen Ledersohlen hing, waren Fackelhalter angebracht. Ein silberner Kandelaber thronte mit einem Dutzend Kerzen bestückt auf einem runden Tischchen, und auf dem bestickten Tischtuch waren ein Krug mit Wein, ein einziger Silberpokal und ein kleines Nachtmahl angerichtet – kaltes Geflügel in irgendeiner Soße, eine zugedeckte Schüssel und Brot. Auf einem riesigen, vergoldeten Bett mitten im Zimmer ruhte eine hünenhafte Gestalt, mit nichts als einer Nachtmütze auf dem Kopf und einer großen, pelzgefütterten robe de chambre bekleidet, die er anzüglich aufspringen ließ.
»Ich habe gewußt, daß Ihr kommt«, sagte seine tiefe Stimme aus den Schatten.
»Ich will Gilbert jetzt haben, nicht morgen«, sagte ich fest und blieb an der offenen Tür stehen.
»Ich habe vor, Euch zu ihm zu bringen, wenn wir erst unser kleines – Gespräch – hier beendet –« Die Gestalt schob sich vom Bett. »Jean, du kannst gehen. Und mach die Tür hinter dir zu.«
Der Kammerdiener ging, und die Tür schlug mit einem dumpfen Laut zu. Auf einmal war mir am ganzen Leib kalt, mich fröstelte.
»Euch friert? Etwas
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