Die Vision
die mit glänzender Schädeldecke und leeren Augenhöhlen auf der langen Bank thronten, mit der das Zimmer möbliert war.
»Von Kerls wie euch habe ich die Nase voll«, murmelte Gregory dann wohl, wenn er die Augen aufschlug und die Schädel gewahrte. »Armselige Gesellschafter seid ihr mir die ganzen Wochen gewesen. Müßt ihr mich denn überall mit euren Glotzaugen verfolgen? Ich werde euch noch schnell genug Gesellschaft leisten.« Den ganzen Nachmittag mit diesem Langweiler eingesperrt, dachte Sim und ging zum Fenster.
Zwei Stockwerke tiefer erspähte er im Hof des Téte du Maure etwas Wundersames. Gleich neben der Stalltür war ein Mann, der sein Pferd einstellte. Hinter ihm standen zwei Windhunde. Und neben sich hatte er an einer Leine, die an einem Halsband mit kleinen Glöckchen befestigt war, einen Affen. Einen echten Berberaffen mit Haar am ganzen Körper und langen, ledrigen Händen und Füßen.
»Wo kommt denn der her?« Bewunderung schwang in Sims Stimme mit, und schon wollte er in den Hof laufen. Dann fiel ihm sein Versprechen ein. ›Nach jemand sehen‹ heißt nicht ›ansehen‹, oder? dachte er bei sich. Aber sie werden böse, wenn er herumtobt und Sachen zerschlägt. Und so wechselte er das Handtuch, falls dergleichen passieren sollte, was aber unwahrscheinlich war, dann band er der schlafenden Gestalt mit dem Seil vom Packsattel die Hände fest zusammen und verknotete die losen Enden am Bettgestell.
»Mit ein bißchen Glück wachst du gar nicht auf«, sagte er zu dem Schlafenden. »Und wenn, dann läufst du mir nicht durch die Gegend und tust dir etwas. Ich bin ohnedies rechtzeitig wieder da. Die erwischen mich schon nicht. Und wir sind quitt, was? Ich habe mich gut um Euch gekümmert, Sir Griesgram!« Und schon sprang er mit großen Sätzen wie ein Hase die Treppe hinunter.
Gregory wäre vielleicht wirklich nicht aufgewacht, wenn sich ihm nicht ein Teufel auf die Brust gesetzt hätte. Groß, grau und formlos war er und so schwer, daß Gregory beinahe keine Luft mehr bekam. Weg da, sagte er bei sich, doch der Kerl wich und wankte nicht, auch wenn er noch so heftig Luft holte. Er wollte ihn fortschieben, mußte aber feststellen, daß seine Hände gelähmt waren. Er fing an zu schreien und sich zu winden, aber er konnte sich nicht bewegen. Er riß die Augen weit auf und blickte sich im ganzen Zimmer nach Hilfe um. Keine Menschenseele da. Margaret hatte ihn verlassen. Als ob er es nicht gewußt hätte. Und der Teufel, der war so schwer, daß er ihm die Luft abdrückte.
»So sei es denn«, flüsterte er und wandte das Gesicht zur Wand. Doch gerade als er das tat, hörte er den Riegel klicken und die Tür aufgehen. Die Neugier war schon immer seine stärkste Triebfeder gewesen. »Sterben kann ich später auch noch«, murmelte er. »Erst will ich einmal sehen, wer das ist.« Der Teufel wirkte recht durchscheinend; er konnte jetzt geradewegs durch ihn hindurchblicken, und während er zusah, wie die Gestalt zur Tür hereinkam, schien das graue Etwas zu verblassen und zu vergehen, als wäre es nie dagewesen. Die Luft fühlte sich gut an. Er atmete tief durch und blickte dem eintretenden Fremden mit großen Augen entgegen.
Der Mann wirkte recht angenehm, war nicht viel älter als Gregory, trug den Bart kurz, die Haare jedoch ein wenig zu lang – wahrscheinlich um Geld zu sparen, jedenfalls nach seiner Kleidung zu schließen. Er trug Arztgewand und Arzthut, doch beides reichlich fadenscheinig. Gregory entdeckte mehrere säuberlich, beinahe unsichtbar aufgesetzte Flicken auf den durchscheinendsten Stellen des Gewandes. Er lächelte. Zweifellos jemand, den Margaret aufgetrieben hatte. So hatte sie ihn doch nicht verlassen. Sie hatte einen Arzt geholt. Sie hatte wirklich eine Begabung dafür, sich unter schäbigen Menschen Freunde zu machen. Wahrscheinlich hatte sie etwas dafür eingetauscht oder ihn angefleht zu kommen. Für einen erfolgreichen Arzt langte das Geld nicht. Er spürte, wie ihn der Fremde mit dunklen, lustigen Augen musterte.
»Margaret hat Euch zu mir geschickt, nicht wahr?« fragte Gregory.
»Nun ja, sie hat mich gebeten zu kommen, ja – aber in Wirklichkeit bin ich da, weil Ihr mich gerufen habt. Ihr wolltet, daß ich komme.« Er setzte sich auf das Bett, als wären sie gute, alte Bekannte.
»Tut mir leid, daß ich Euch im Liegen empfangen muß. Seht nur, was sie mit mir gemacht haben.«
»Es war nur die Angst, Ihr könntet Euch etwas antun«, sagte der Fremde, »aber ich weiß,
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