Die Vision
und zwei hübsche, erwachsene Söhne, für die er Kirchenpfründe kaufen will.«
»Im Hause deines Onkels verkehren gelehrte Männer. An seiner Tafel widmet man sich dem klugen Disput.«
»Beim Domherrn auch. Obendrein noch den schönen Künsten und der Musik. Es gibt gar keinen Grund, warum ein Historiker kümmerlich leben sollte, oder? Ich meine, Gott zürnt dem Domherrn nicht, weil dieser das Leben eines Weltkindes führt, nicht wahr?« Gregory hüllte sich fester in den Umhang und blickte den dahineilenden Wolken nach.
»Allem Anschein nach nicht, oder? Vielleicht sind Ihm Historiker besonders wohlgefällig, was meinst du? Hast du gehört, daß der Domherr nur mit vierzig bewaffneten Reisigen auf Reisen geht?« Margaret sah Gregory prüfend an, und so entging ihr der nachdenkliche Blick seiner dunklen Augen auch nicht.
»Wenn das nicht ein elegantes Gefolge ist?« sinnierte Gregory laut. »Er reist, wohin auch immer es ihn zieht, immer auf der Suche nach Fakten für seine Chronik, und Könige und Fürsten heißen ihn willkommen und fragen ihn um Rat.« Bei diesem Gedanken entspannten sich seine Züge, und der Anflug eines Lächelns huschte über sein Gesicht.
»Für seine Schriften überhäufen sie ihn mit Gold und Gaben«, kam ihm Margaret zu Hilfe.
»Was alles beweist, daß man nicht, wie Sir Thomas, der Fischhändlergilde beitreten muß, wenn man in London eine anständige Tafel bestellen will.« Er blickte sie an.
»Weißt du«, sagte sie und legte den Kopf schief, als wollte sie nachdenken, »wenn wir erst das Haus in Ordnung gebracht haben und unseren Verpflichtungen unseren Nachbarn gegenüber nachgekommen sind, sollten wir deine Freunde zu einem Festessen einladen. Die Gelehrten aus dem Eberkopf , meine ich. Ich mag sie. Sie müssen nur versprechen, daß sie im Rausch nicht mit den Möbeln durch die Gegend werfen.«
»Sie werfen nicht mit Möbeln, Margaret. Das sind kultivierte Leute. Sie werfen mit Menschen. Vater wirft mit Möbeln.«
»Oh, du liebe Zeit. Dein Vater. Wir müssen ihm Nachricht schicken, wenn wir gelandet sind. Wieviele Tage Frieden dürfen wir wohl genießen, ehe er sich wieder etwas ausgedacht hat, womit er uns das Leben sauer machen kann.«
Als wir schließlich landeten, wartete Sir Hugo nicht die Nacht ab, sondern machte sich unverzüglich mit guter Nachricht von uns nach Haus auf. Ihm war zu Ohren gekommen, daß von Dover demnächst Verstärkungen an das Heer des Herzogs in der Normandie abgehen sollten, und er lechzte nach neuen Heldentaten, so weit fort von seiner Frau wie nur möglich.
»Ich schaue bei Vater vorbei, schwängere dieses Weib und dann – nichts wie auf nach Frankreich und in Fortunas Arme. Warum sollte das Glück immer nur den Gefolgsleuten des Prinzen lachen? Die kommen aus Bordeaux zurück und sind reicher als der Teufel höchstpersönlich. Eines kann ich euch versichern, beim nächsten Mal bin ich an der Reihe!« Und schon waren sie auf und davon, daß man nur noch Hufegeklapper hörte.
Wir ritten von Southwark her in London ein. Noch ehe wir die Brücke erreicht hatten, blieben die Menschen stehen und gafften und wiesen mit den Fingern auf uns, denn wir boten einen gar seltsamen Anblick. Da wir nur drei Pferde hatten, saß Sim hinter Gregory; der mochte im allgemeinen zwar keine Straßenjungen, doch diesen hier hatte er entsetzt und fasziniert zugleich ins Herz geschlossen. Schwer zu sagen, wie Gregory in diesem Augenblick mit seiner leichten Bewaffnung und von oben bis unten voller Reisedreck wirkte, den Bart ungestutzt und die Kapuze um den Kopf geschlungen wie ein Heide seinen Turban. Wahrscheinlich wie ein Söldner, der von einem mißglückten Feldzug heimkehrt. Mutter Hilde jedoch war nicht zu verkennen. Mit ihrem breitkrempigen, jetzt arg eingebeulten Strohhut, den sie fest über Schleier und Riese gebunden hatte, und mit den Pilgerabzeichen überall auf ihrem staubigen Umhang zog sie im Triumph hinter Bruder Malachi ein.
»Seht nur, seht! Pilger von jenseits des Meeres!« rief ein Mädchen, und Mutter Hilde strahlte.
»Segnet uns, gute Mutter!« rief eine Frau in geflicktem grauen Überkleid und lief hinter Mutter Hilde her, daß sie ihren Umhang berührte, so als ob die Wohltaten der heiligen Stätten abfärbten. Als sich eine kleine Menge zusammenrottete und ihr den ganzen Weg vorbei an den Hurenhäusern zur Brücke nachlief, war sie schier außer sich vor Freude. Ich bekam auch mein Teil ab, denn ich hörte die Leute sagen:
»Seht nur!
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