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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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hatte der Dürre Auftrag, im Morgensaal zu wachen. Wo zum Teufel lungert er herum? Wenn er eigenen Geschäften nachgeht, dann soll er zur Hölle fahren. Ständig drängt er mich, diese vermaledeite Begine Anna zu empfangen, die wohl sein Liebchen ist, dieses ekle Rabenfleisch!«
    Mertgin schlug ein rasches Kreuz, um die Flüche des Kaufherrn abzuwenden, von denen sie wußte, daß sie auf den Fluchenden zurückfielen, wenn man sie nicht bannte. Sie räusperte sich schüchtern. »Vielleicht ist alles ganz harmlos. Immerhin ist Columba nun wieder in ihrer Kammer. Unversehrt.«
    »Aber was tat sie in den Gassen?«
    »Sie will es mir nicht sagen, ganz verstockt ist sie. Stumm und sehr bekümmert. Sie dauert mich fast.«
    Der Kaufmann fegte mit wütender Geste eine Münzwaage vom Tisch. Klirrend ging sie zu Boden. »Bekümmert? Nun, das werden wir ändern. Die Hochzeit mit dem Freiherrn soll am nächsten Sonntag, dem Sonntag nach Karneval stattfinden. Schicke Nachricht an den Diakon, er soll die Aufrufe tun, den letzten am Freitag vor dem Freudenfest. Columba muß endlich mein Haus verlassen. Sie stürzt uns alle in ein Unglück mit ihren lästigen Streichen.«
    »Aber was wird der Freiherr dazu sagen? Diese Eile, Herr, könnte ihn stutzig machen.«
    »Nicht stutziger, als er ohnehin schon ist. Er wird eine stattliche Mitgift erhalten, die ihn von seinen ärgsten Nöten befreien wird, nun soll er seinen Part erfüllen. Jetzt verschwinde und laß den Sekretär suchen. Er soll sofort zu mir kommen, wenn ...«
    Ein Klopfen unterbrach ihn.
    »Ja?« rief der Kaufmann ungehalten.
    »Vielleicht ist er das«, sagte Mertgin erleichtert, lief zur Tür und öffnete. Im Rahmen stand Anna. Den Kopf stolz erhoben, ließ sie ihre Augen durch den Raum schweifen. Mertgin wollte die Tür zuwerfen, doch die Begine stellte ihren Fuß auf die Schwelle, stieß die Magd beiseite und trat frech ein.
    »Was fällt dir ein, unverschämtes Weibsstück!« donnerte van Geldern und richtete sich drohend auf.
    Mertgin wollte der Schaffnerin erneut den Weg verstellen, doch Anna setzte sich durch und ging zum Kaufmann hinüber. Fest sah sie ihm in die Augen. »Ich habe schreckliche Nachrichten. Aus dem Konvent Eurer Schwägerin.«
    »Was geht mich das an?« zischte der Kaufmann mit bedrohlich leiser Stimme.
    Mertgin gab nicht auf und zerrte Anna von hinten beim Arm, die gab ihr mit dem Ellbogen einen heftigen Stoß in die Magengrube. Mertgin röchelte und fing sich eben noch am Schreibtisch ab, um nicht zu stürzen. Weder der Kaufmann noch die Begine beachteten sie.
    »Unsere Kornmeisterin ist tot.«
    »Mein herzliches Beileid, auch an meine Schwägerin, aber nun mach, daß du fortkommst. Ich habe damit nichts zu schaffen.«
    »Aber die Umstände! Ein Messer war im Spiel. Wie damals bei Eurer geliebten Frau Katharina. Gott habe sie selig.«
    Ein Schluchzen wurde laut. Unwirsch wandte van Geldern sich an die greinende Mertgin, die sich an die Kante seines Schreibtischs klammerte. »Hinaus!« befahl er mit harter Stimme.
    Mertgin verschwand auf schwankenden Beinen.
    Der Kaufherr ging mit ruhigen Schritten zu seinem Lehnstuhl hinter dem Schreibtisch. Er setzte sich, seine Miene versteinerte sich wie jedesmal, wenn er gegen seine stechenden Blasenschmerzen ankämpfte. Verfluchte Schwäche, die ihn jedesmal überfiel, wenn Unerwartetes auf ihn einstürmte.
    »Was willst du elende Vettel von mir?« fragte er endlich kalt. »Ich weiß, daß du den Dürren mit deiner Buhlerei umgarnt hast. Ständig liegt er mir wegen dir in den Ohren. Nun gut, rede, aber mache es kurz, ich höre nicht gerne Huren zu.«
    Anna quittierte die Beleidigungen mit einem höhnischen Lächeln. »Ihr solltet mir dankbar sein, werter Kaufherr van Geldern. Wenn es nach einigen der Schwestern ginge, wäre ich gleich zum Gewaltrichter gegangen.«
    »Ich werde dich nicht aufhalten. Gehe nur, vielleicht wird er dich freudiger empfangen. Sogar freudiger, als dir lieb sein kann. Der Dürre mag deinen armseligen Reizen verfallen sein, aber ein Dummkopf ist er nicht. Seiner Arbeit als Spitzel gilt seine wahre Leidenschaft.«
    Van Geldern zog eine Schublade auf und nahm einige Papiere heraus. Amtliche Siegel baumelten daran. »Hier«, sagte er, während er die Briefschaften mit lässiger Geste auf den Schreibtisch warf, »mein Sekretär erkannte die Hure in dir, er hatte genug Umgang mit deinesgleichen. Sein Zeugnis wäre dein Ende.«
    Anna erbleichte, sie hatte die Siegel erkannt und wußte, daß es

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