Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)
Sagen wir fünftausend Dukaten. Golddukaten versteht sich. Rebecca besitzt ein Vielfaches davon, ich kenne die Bücher.«
Van Gelderns Zähne lagen hart aufeinander, seine Kiefer waren schmerzhaft angespannt: Dieser elenden Schaffnerin war es tatsächlich gelungen, ein Netz zu knüpfen, in dem Rebecca sich tödlich verfangen konnte.
»Du willst also, daß ich meine eigene Schwägerin bei der Inquisition anzeige und den Rat davon überzeuge, eine der angesehensten und vornehmsten Bürgerinnen Kölns an das kurfürstlich-erzbischöfliche Gericht zu übergeben?« Er machte eine kurze Pause. Zeit genug, um die häßliche Frage langsam verklingen und wirken zu lassen.
Mit gespanntem Blick beobachtete ihn die Schaffnerin und schwieg. Ihr Schweigen war Antwort genug.
Der Kaufmann atmete langsam aus, dann fuhr er fort: »Du weißt nicht, mit welcher Gegnerin du es zu tun hast. Das Volk steht hinter Rebecca, selbst vornehmste Bürger sehen eine Heilige in ihr, andere schätzen sie als Tochter aus dem Hause Scarpenstein. Der ungeklärte Tod einer Kornmeisterin wird sie nicht gegen deine Magistra einnehmen. Und ich würde den Teufel tun, mich darum ins Gerede zu bringen. Rebeccas Ruf ist über alles erhaben.«
»Auch über die Sünde des fleischlichen Umgangs mit einem Diener des Herrn?« Es war ihr letzter Trumpf, den sie nun ausgespielt hatte. Fast erschöpft lehnte Anna sich in ihrem Stuhl zurück.
Der Kaufmann strich sich den Bart. Wenn es Teufel gab, und daran zweifelte er, dann saß einer ihm in Gestalt dieser Begine gegenüber. Er zögerte. Endlich hatte er seinen Entschluß gefaßt. Er stand auf und legte beide Hände auf den Tisch. Es war eine abschließende Geste. Anna freute sich.
»Wer das Tuch zum Mantel stiehlt, dem gibt Satan das Unterfutter dazu«, zitierte zu ihrer Verblüffung der Kaufmann gelassen.
»Was, was wollt Ihr damit sagen?« fragte sie.
»Du verstehst mich nicht? Nun, ich habe keine Lust, mit einer Hure windige Geschäfte zu machen. Tu, was dir beliebt, aber rechne nicht auf mich. Deine Methoden sind mir zu grob. Sie ziemen sich nicht für einen Mann meines Standes und meiner Vernunft.«
Empört sprang Anna auf. »Ihr seid also zu vornehm für mich? Ihr glaubt Euch über mich erhaben? Nach einem Gespräch wie diesem?«
»Es ist beendet. Verschwinde aus meinen Augen, bevor ich dich vom Henker mit der Schandrute aus der Stadt prügeln lasse.« Erstaunlich flink kam er hinter dem Schreibtisch hervor, riß die Begine vom Stuhl und zerrte sie zur Tür. Eben wollte er nach dem Riegel greifen, als sie vom Korridor her aufgestoßen wurde. Van Geldern fuhr zurück.
Mertgin stand mit bleichem Gesicht vor ihm. Sie war zu aufgeregt, um das merkwürdige Gerangel zwischen Kaufmann und Begine zu beachten.
»Herr, ein Unglück, ein schreckliches Unglück. Der Sekretär!«
Van Geldern ließ die Begine fahren, sie schlüpfte in den Hintergrund, hielt die Ohren gespitzt. Mertgins Stimme überschlug sich nun fast. »Es ist entsetzlich. Man fand ihn tot beim Haus des Greven.«
»Tot?«
Mertgin redete hastig weiter: »Tot wie ein Sargnagel. Erschlagen von herabfallenden Balken. Schlimmer noch, es scheint, er hat heute nacht Ketzer aus dem Kerker befreit. Und das mit Schwarzpulver, welches – so heißt es – aus Eurem Hause stammt. Der Gewaltrichter ist schon auf dem Wege hierher. Schwarzpulver aus Eurem Hause! Es kann nicht sein. Alles Lüge, Teufelswerk. Ein Fluch liegt über uns, Herr, ein Fluch. Was soll nur aus uns werden? Warum straft uns der Allmächtige mit seinem Zorn?«
Die Schaffnerin fror die Szene mit eiskaltem Blick ein: die schreckensstarre Gestalt des Kaufherrn. Aller Hochmut war aus seinen Zügen gewichen. Mertgin, die auf den Knien liegend die Hände rang wie ein bezahltes Klageweib. Und endlich die Gestalt des Gewaltrichters, der in prachtvoller Amtsrobe, den Gerichtsstab in der Hand, erschien. Fortuna, dachte Anna, ist auf meiner Seite, und Fortuna ist mächtiger als Gott.
7
I n allen Gassen zum Holzmarkt waren die Ketten vorgelegt. Murrend verlangten einige der Schiffsknechte Durchlaß. Vergebens. Hellebardenträger verwehrten den Zugang.
Der Fuhrknecht brachte fluchend den Wagen zum Stehen. Unruhig schnaubten die Pferde. »Da seht Ihr, was für eine närrische Idee es war, über den Holzmarkt zu fahren«, schimpfte er. »Alles verklaustert und verrammelt. Liegt kalter Brandgeruch in der Luft, schätze, hier ist ein Unglück geschehen. Es gibt kein Durchkommen.«
Lazarus sprang
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