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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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dem Mann angehören wollen, der ihren Vater verdarb? Als ich euch befreite, sorgte ich dafür, daß alle Beweise gegen den Kaufherrn van Geldern sprechen. Am Morgen unserer Ausfahrt kam ich zu spät, um die Spuren noch zu verwischen. Zu spät, um mein Unrecht wiedergutzumachen. Columba haßt mich, und ich kann nichts mehr tun, außer mich selbst dem Gewaltrichter auszuliefern, um meine Schuld zu tilgen und van Geldern von jedem Verdacht zu befreien.«
    Tringin faßte ihn erschrocken beim Arm. »Du willst dein Leben für das des Mörders deines Vaters geben? Das kannst du nicht tun. Ich beschwöre dich, tue es nicht.«
    »Wie auch immer ich mich entscheide«, sagte Lazarus und richtete sich auf, »eine Verbindung mit Columba ist unmöglich. Weil ich mich von Rachegelüsten treiben ließ, habe ich die Liebe meines Lebens auf immer verloren. Cassander warnte mich umsonst. ›Mein ist die Rache spricht der Herr.‹ Ich hätte auf das Bibelwort vertrauen sollen.«
    »Es muß einen anderen Ausweg geben!«
    »Ich kenne keinen. «
    Er riß sich von Tringin los und verschwand mit eilenden Schritten in der Dunkelheit. Als er den Weg erreichte, der zur Schänke zurückführte, stutzte er. Helle Fackeln erleuchteten den Hof des Gasthauses. Das unruhige Wiehern und Stampfen von Pferden drang zu ihm herüber.
    »Macht auf!« donnerte eine Stimme. Der Mann sprach deutsch. Vorsichtig schlich Lazarus sich näher heran und verbarg sich im Schatten einer ausladenden Weide, die knapp vor dem Gasthoftor stand. Vier Männer in leichter Rüstung und den geschlitzten Pluderhosen der Landsknechte hatten sich im Hof verteilt, ihre schnellen Reitpferde, deren schweißnasse Flanken einen scharfen Ritt verrieten, hielten sie bei den Zügeln. Der Befehlshaber im Rang eines Hauptmanns – ein vierschrötiger, dunkler Kerl von grober Art, dessen übertriebene Halskrause vor Schmutz starrte – stand breitbeinig vor der Tür zum Schankraum und wartete darauf, daß der Wirt sie öffnete. Endlich tat sie sich auf, der verschlafene Hausherr stand im groben Nachtgewand auf der Schwelle und riß den Arm hoch, um seine Augen gegen den grellen Schein der Fackel zu schützen, die ihm der Söldnerführer direkt vor das Gesicht hielt.
    »Beherbergt Ihr einen Kaufmannstroß aus Köln?« fragte der Hauptmann barsch. Der Wirt verzog mißmutig den Mund und tat, als verstehe er nicht. Der Söldner gab ihm einen groben Stoß vor die Brust, der den Mann taumeln ließ. »Ich werde dich noch Deutsch lehren, dummer Kerl. Sprich endlich, ist bei dir ein Angestellter aus dem kölnischen Haus van Gelderns zu Gast? Lazarus ist sein Name, so jedenfalls nennt er sich.«
    Der Wirt legte den Kopf zur Seite und begann radebrechend in deutscher Zunge zu reden. Was es denn für eine Bedeutung für den Hauptmann habe, welche Gäste in seinem Hause schliefen, wollte er wissen. Das ginge ihn nichts an, beschied der Söldnerhauptmann. Nun, erwiderte der Wirt widerborstig, dann ginge ihn – den Hauptmann – auch nichts an, wer unter seinem Dach kampiere. Es sei denn, der Mann könne offizielle Papiere für seine Unternehmung vorweisen. Der Soldat schob den Wirt grob beiseite. Wenig später trat er wieder in den Hof, hielt in der Rechten sein Schwert und mit der Linken Lazarus’ Kutscher beim Kragen, der so verschreckt schien, daß er sogar seine üblichen Flüche vergessen hatte.
    »Zeig uns den Karren, den du fährst«, wies der Söldner ihn an. Seine Kumpane versammelten sich bei der Tür zum Gasthaus und hielten die anderen Gäste zurück, die sich herausdrängten. Mit gezückten Schwertern und einer Hakenbüchse hielt man sie in Schach, wohlwissend, daß reisende Kaufleute gemeinhin gut bewacht und nicht zimperlich waren, wenn es um die Verteidigung von Leib und Ware ging.
    »Beruhigt euch, haltet euch zurück«, beschwichtigte einer der Söldner die zornigen Gaffer. »Wir reiten im Auftrage des Kaufherrn van Geldern, der einen Betrüger fassen will, der ihm Ware gestohlen hat. Außerdem hat der Kerl zwei Ketzer auf seinem Wagen versteckt. Tag und Nacht sind wir geritten, um den Lumpen zu stellen.«
    Einige der Gäste zogen sich daraufhin wieder in den Schankraum zurück – mit Ketzerschmuggel wollte man nichts zu schaffen haben. Zwar schienen diese lärmenden Haudegen in zerschlissener Uniform eine zweifelhafte Bande zu sein, aber daran war man gewöhnt. In Friedenszeiten mußten marodierende Landsknechte sich ihr Brot mit allen möglichen Aufträgen verdienen. Besser sie

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