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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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Schuld freisprechen. Schließlich war Lazarus ein Fremdling, der unter falschem Namen aufgetreten war, dazu Sohn eines Calvinisten, ein Freund Luthgers. Trotzdem, es blieb eine heikle Sache.
    Der Kaufmann seufzte und strich sich mit der Rechten den kalten Schweiß von der Stirn. Er mußte einen Brief aus dem Haus schmuggeln. Das Pulver mußte er verloren geben, das große Geschäft mit den Waffen war dahin, aber es blieb kein anderer Weg. Lazarus’ Tod war seine Rettung.
    Er brauchte einen Boten, eine geschickte, unauffällige Person, die niemand beim Verlassen des Hauses durchsuchen würde, und die nicht zauderte, in Hafenschenken nach gewissenlosen Bündnispartnern zu suchen. Eine Person wie den Dürren. Ein müdes Lächeln stahl sich auf die Lippen des Kaufmanns. Zum ersten Mal in diesen Tagen dachte er tatsächlich mit Wehmut an den toten Spitzel, der eine diabolische Lust an den Geheimnissen und dem Verderben anderer gehabt hatte. Er schien unersetzlich. Einen Mann wie ihn würde er so schnell nicht wieder finden. Einen Mann? Van Gelderns Miene entspannte sich weiter, er wußte nun, wen er mit dem Botengang betrauen konnte.
    2
    D rei Tage war es her, seit er Köln verlassen hatte, als er Luthger und Tringin im Schutze der Dunkelheit und bei einem Wirtshaus nahe Heerlen endgültig aus ihrem schaukelnden Gefängnis befreite. Der Troß der anderen Kaufleute hatte sich längst im Schankraum aufs Stroh gebettet, Pferde und Fuhrwerke standen verlassen im Stall, den Lazarus zu bewachen sich angeboten hatte. Niemand sah, was er tat. Die Flucht der Ketzer war vollendet und geglückt.
    Ein kleiner Lederbeutel mit Geld, ein wenig Stockfisch, Wein und Brot als Proviant waren alles, was Lazarus dem alten Mann und seiner Tochter mit auf den Weg in eine ungewisse Freiheit geben konnte. Sie nahmen beides mit Dank. »Ich werde nie vergessen, was du für mich getan hast«, sagte der alte Mann gerührt, »dein Vater rettete mir vor langer Zeit das Leben, nun stehe ich auch in der Schuld des Sohnes. Der Herr zeige mir, wie ich es vergelten kann.«
    »Ich tat wenig genug«, wehrte Lazarus ab, »und viele Gefahren liegen noch vor euch.«
    »Sorge dich nicht, ich werde mich auch auf den Dörfern als Knochensieder und Gebeinschnitzer zu ernähren wissen. Tringin ist jung, sie kann sich leicht als Magd verdingen. Wir werden ein karges, aber gutes Leben führen, weil es ein gottgefälliges ist. Würde der Herr nur meine Gebete erhören, Sohn, und auch dich zum wahren Glauben führen. Aber es ist nicht zu spät für deine Taufe.« Lazarus lachte kurz auf, Luthger schwieg störrisch.
    Tringin entging die tiefbekümmerte Miene ihres jungen Befreiers nicht. »Was ist dir?« fragte sie ihn eindringlich und betrachtete ihn im Schein der Fackel, die er bei sich trug, um ihnen den Weg zu einer abseits gelegenen Scheune zu weisen.
    Lazarus warf ihr einen kurzen Blick zu, schwieg aber. »Du bist nicht so glücklich wie wir darüber, daß du Köln den Rücken gekehrt hast, nicht wahr?«
    Lazarus zuckte mit den Achseln und ging weiter. Auf einem verschlammten Feldweg erreichten sie die Scheune, über deren Torbogen nach Landessitte eine tote Eule angenagelt worden war, um Unheil und Feuer abzuwenden. Lazarus übergab Luthger die Fackel, und der Wiedertäufer inspizierte den Unterschlupf.
    Tringin hielt Lazarus am Ärmel seines Wamses zurück. »Ist es Columba, um die du dich grämst? Tue es nicht, freue dich statt dessen, Lazarus, denn du wirst wiedergeliebt. Ich sah es in ihren Augen, glaube mir.«
    »Das ist nicht nötig«, sagte der junge Mann trocken, »sie sagte es mir selbst.«
    »Was bläst du da noch Trübsal?« fragte Tringin verblüfft. »Gehe zurück nach Köln und hole sie zu dir.«
    »Eine Entführung? Noch dazu die einer Braut? Darauf stehen hohe Strafen.«
    »Keine, die dich noch schrecken könnte. Mit unserer Befreiung hast du bewiesen, daß das Gesetz keine Gewalt über deine Entschlußkraft hat. Und so wenig ich Columba auch kennen mag, eines ist sicher, sie zieht ein Leben nach eigener Wahl jedem Zwang vor. Gefahren scheut sie nicht, und du hast in der Welt Freunde und Beziehungen genug, um dir ein Leben aufzubauen.«
    Lazarus stieß mit der Spitze seines Stiefels nach einem Stein. »Ich kenne Columbas Mut, ich schätze ihr ungestümes Wesen, von dem ich dachte, es sei das eines törichten Kindes ...«
    »Du hast sie unterschätzt, ihre Leidenschaften und Gefühle sind die einer Frau.«
    »Und die einer Tochter. Wie sollte sie je

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