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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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Köchin meines Schwagers sprechen«, versicherte Rebecca freundlich.
    Vom Hof her klang Annas ungeduldige Stimme zu ihnen herein. »Magistra Rebecca?«
    Die Köchin schnaubte verächtlich. Rebecca warf ihr einen tadelnden Blick zu. »Und wenn ich deshalb drei Rosenkränze zu beten habe, sage ich es trotzdem«, maulte die Küchenmeisterin. »Traut der Schwester Anna nicht. Sie ist listiger, als es Gott gefällt, sie streut Zwietracht und redet dir Übles nach. Außerdem streicht sie ständig um deine Kammer herum, als lauere sie einer Ratte auf. Erst gestern gegen Abend sah ich sie herauskommen und ...«
    »Du spitzelst deiner Schwester nach? Das macht fünf Rosenkränze, und ein Bittgebet für Schaffherin Anna«, schloß Rebecca das Gespräch und eilte in den Hof.
    »Und zehn für dich! Deine Güte ist gefährlich, dabei dachte ich immer, du hättest die Gabe der Herzensschau und der Weissagung«, murmelte die Köchin kopfschüttelnd. Verträumt setzte sie ihren Weg und erfreulichere Gedanken fort. »Krammetsvögel!«
    9
    W immern und Johlen, Angstschreie und Anfeuerungsrufe mischten sich mit dem Klirren von Ketten und Waffen. Ein Pferd stieg hoch, ein Söldner ließ das Schwert sausen, Menschen sprangen zur Seite, scharten sich wieder um den Ketzerkarren, pöbelten die darauf stehenden Gefangenen an. Man empörte sich redlich, allen voran die Kupplerinnen und anderer Bodensatz aus der nahen Schemmergasse.
    Gesindel wimmelte von allen Seiten herbei, drang durch aufgerissene Türen in die leeren Häuser der Verhafteten ein, stahl, plünderte, warf lachend und lärmend den minderen Hausrat auf die Straße. Einige uniformierte Spanier taten mit, mehr aus Prinzip denn aus Gier, vor allem der Unterhaltung wegen. Die Beute selbst hatte kaum Reiz. Tonkrüge zerbarsten in tausend Splitter, Töpfe zersprangen, Pfützen von Milch und Bier sammelten sich zwischen gefrorenen Lehmfurchen.
    »Wir haben euch lange genug geduldet!«
    »Erstickt die Ketzerpest, schlagt die Gottlosen in Fetzen!«
    Es war ein Fest des Pöbels. Die wenigen Besonnenen schauten einfach weg. Die Kölner Söldner ließen die zürnenden Hungerleider und Tagelöhner gewähren, da sich ihre Wut ganz gegen ihresgleichen richtete. Schließlich war es eins, wer dem Ketzerpack das Fell gerbte.
    Columbas Kopf schmerzte, als würde er wieder und wieder gegen den harten Lehmboden geschlagen, auf dem sie lag. Sie zwang sich, die Augen zu öffnen. Langsam schälten sich die Umrisse eines herumeilenden Menschen aus dem Dunkel der Küche. Grau und Schwarz waren die Farben, die sie unterschied. Ein Kessel schleifte über den Boden. Ein grober Tisch wurde vor die zugeschlagene Flügeltür geschoben. Es war Tringin, die ihn allein über den unebenen Boden wuchtete, sich den Schweiß von der Stirn wischte, den hilflos zappelnden Vater in eine Ecke des Raumes drückte, eine schmutzige Decke über ihn schlug und »still, nur still« flüsterte. Laut und vernehmlich drang eine muntere, selbstgewisse Stimme durch das Holz der Tür. Sie stand in lächerlichem Gegensatz zu dem wilden Geschrei auf der Gasse.
    »Hier, werter Herr, hier wohnt der gebrannte Kopf. Ganz durch Zufall war ich in der Nähe. Man sagte, ein Kind sei von einem Schwein gebissen worden. Da konnte ich schlecht nein sagen, obwohl in der Weyerstraße mein bester Kunde, ein höchst vornehmer Fleischhauer ...«
    Ein Knurren unterbrach ihn. »Ich sehe, Ihr seid in Eile, wie ich, die Schröpfköpfe warten ... Wohl denn, Ihr wißt nun, was Ihr wissen wollt. Wenn ich nun um die versprochene Belohnung bitten darf?« Münzen klimperten. »Alsdann«, verabschiedete sich der fröhliche Judas.
    »Der Bader«, zischte Tringin tonlos, »und ich dachte, er sei uns wohlgesonnen.« Unbekümmerte, heitere Tringin.
    Columba hob ihren Kopf und zwang sich zu sprechen. »Er hat euch verraten?«
    Tringin nickte traurig, legte den Zeigefinger vor die Lippen und blieb neben dem versteckten Vater hocken. Was für ein verzweifelter Unsinn, dachte Columba und kämpfte gegen das Dröhnen in ihrem Kopf an. So würde sie sich nicht verkriechen, wie eine elende Ratte, nach der schon die Katze angelt. »Gibt es keinen Weg hinaus?« flüsterte sie.
    Tringin schüttelte den Kopf. Hartes Klopfen. Rufen. »Öffnet die Tür, öffnet die Tür sofort. Im Namen eines ehrsamen Rates öffnet die Tür!«
    »Fangt ihn, den schäbigen Lausewenzel Luthger. Fangt ihn, fangt ihn!« skandierten dazu Gassenlümmel und Gaffer, die – was selten war –

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