Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)
tückisches Glitzern schlich sich in Katharinas Blick. Flüsternd fuhr sie fort, schraubte ihre Stimme immer weiter in die Höhe, endete in einem entsetzlichen Kreischen: »Heillose Schwätzerin, auch du willst mich sterben sehen, nicht war? Ich weiß, du bist seine Buhlschaft, elende Hure, Asseln und Läuse sollen deine Brüste zernagen. Ich will nicht sterben!«
Rebecca betete und zeigte der Schwester das Kreuz, das sie um den Hals trug, silbern und zierlich schimmerte der Gekreuzigte. »Sieh hier diesen, der für alle gestorben ist. Es gibt keinen Tod mehr, alles ist vergeben, Schwester, auch dir. In alle Ewigkeit. Gott ist in dir, wie in uns allen.«
Ketzerei, wollte Anna halb wütend, halb triumphierend schreien, Ketzerei, und schwieg doch.
Katharina sank in die Kissen zurück, keuchte, als empfinge sie ihren Gatten. Dann schlug sie sich mit ihren Händen, daß es widerhallte, krümmte sich zu einem Bogen, sank wieder hinab. Rebecca strich ihr sanft die nassen Haare aus der Stirn.
Anna preßte mißbilligend die Lippen aufeinander, so daß sie einen harten, schmalen Strich bildeten. Verschwendetes Zartgefühl, dieses mehr tierische Wesen in den Kissen war es nicht wert. Überhaupt, warum hatte der Schöpfer eben diesen beiden Schwestern soviel zuteil werden lassen? Die eine war blödsinnig, die andere wußte ihre Schätze nicht besser zu verwenden, als einen Konvent voll alberner Weiber damit zu finanzieren. Wenn sie nur selber etwas von diesem Geld besäße ... Grün schillerten ihre neidischen Augen, als sie wieder den Tisch mit dem Geschmeide betrachtete. Bis sie den Blick von Mertgin, der Magd, auffing – ein wissender, fast strafender Blick. Anna zog die Lippen über die Zähne – es sollte ein Lächeln werden und mißlang wie schon so oft. Mertgin beachtete sie nicht weiter und näherte sich auf Zehenspitzen Rebecca.
»Herrin? Auf ein Wort.«
Rebecca wandte sich um. Das steife Leinen ihres Schleiers knisterte. »Mertgin! Ich bin nicht deine Herrin, sie ist es.« Rebecca deutete auf die Gestalt im Bett.
Anna rollte angewidert mit den Augen. Mertgin aber erbleichte, stotternd mühte sie sich, das Mißverständnis aufzuklären. »Ich wollte nicht, ich meine, natürlich ja, Katharina ist meine Herrin, aber auch ihr, ich meine ...« Es bereitete dem armen Wesen tatsächlich Schmerzen, daß man sie fälschlicherweise für unbotmäßig hielt. Und schließlich wäre es doch gut möglich, daß Rebecca heute Hausherrin wäre, hätte sie nicht den Schleier einer Braut Christi dem Brautschleier van Gelderns vorgezogen. Mertgin zuckte über diesem Gedanken zusammen. Wie lästerlich!
Die Begine lächelte. »Beruhige dich, Mertgin. Ich mag es nur nicht, wenn man mich noch Herrin nennt. Eine Dienerin Gottes bin ich, das ist mir der liebste Titel. Ich wünschte mir, du würdest zu einem vertrauteren Ton finden. Wir kennen uns nun schon so lange.«
Mertgin schaute beschämt und verwirrt zu Boden. Was nun? Herrin sollte sie nicht sagen, ein einfaches Rebecca wollte ihr nicht über die Lippen, und doch war es der Wunsch der Begine, der Wunsch einer Tochter aus bestem Patriziergeschlecht, der Wunsch einer Scarpenstein. Wunsch oder Befehl? »Re ...« Nein, das klang falsch, besser sie ließe es ganz einfach fort. Sie straffte die mageren Schultern und begann von vorne. »Ich sorge mich um Columba, sie ist nun schon den ganzen Morgen fort, Mittag ist vorbei und noch immer kein Zeichen von ihr.«
Rebecca schüttelte mit leiser Mißbilligung den Kopf, doch das Lächeln, das ihren Mund umspielte, verriet, was sie insgeheim von den Ungezogenheiten ihrer Nichte hielt. »Hast du sie denn schon überall gesucht, Mertgin? Es herrscht ein reges Treiben im ganzen Haus, vielleicht hockt sie im Keller beim Weinzapf, du weißt, wie gerne sie mit dem Gesinde scherzt.«
Auf Mertgins Stirn zeigte sich kurz eine steile Falte des Zorns, doch sie faßte sich rasch.
»Nun, äh, ich hatte noch nicht viel Zeit zur Suche, ich war nämlich ...« Sie biß sich auf die Lippen und warf einen kurzen Blick auf Anna, die mit ausdrucksloser Miene ein Bild des Gekreuzigten zu betrachten schien. Aber Mertgin ließ sich nicht täuschen, die trügerischen Mienen der Lauscher waren ihr vertraut. Sie beugte sich zu Rebecca hinab und flüsterte: »Meine Herrin hat sich einen Scherz erlaubt, ganz harmlos freilich, sie versperrte die Tür ihres Zimmers, und ich war gefangen. Sie muß mich übersehen haben.«
Rebecca verbiß sich mit Mühe ein Lachen. Sie
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