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Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)

Titel: Die Visionen der Seidenweberin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Wertheim
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und zog Mertgin mit sich.
    »Elendes Weiberpack«, stieß van Geldern angewidert hervor. Juliana leckte sich die Lippen, als habe sie soeben einen köstlichen Leckerbissen verzehrt.
    11
    S ie hatten das Gassengewimmel hinter dem Neumarkt verlassen und bogen in die Schildergasse ein. Der fette Geruch von den Farben und dem Leinöl der Schildermaler empfing sie, dazu die angenehmen Geräusche geregelter Geschäftigkeit und die prachtvollen Fassaden ehrwürdiger Zunft- und Bürgerhäuser. Hausierer und Kleinhändler schrien ihre Waren aus. Rattenfänger boten ihre Dienste an. Kirchgängerinnen eilten dahin, Weltgeistliche, Mönche und Kanonissen. Keiner wußte und niemanden kümmerte, was eben an der Alten Mauer geschehen war.
    Die Hand des Spaniers schloß sich nur noch leicht um Columbas Arm. »Ich bringe dich nach Hause, was sonst«, hatte er grimmig ihre halb wütenden, halb furchtsamen Fragen nach dem Wohin beantwortet. Die Angst und die Anspannung waren gewichen, aber keine angenehmen Gefühle an ihre Stelle getreten. Columba achtete nicht auf die Menschen, denen sie begegneten, nicht auf den falschen Spanier, nicht auf den Weg. Sie wollte nur fort von Tringin, dem Tumult, dem Tod.
    »Sie wird nie mehr Schlittschuh laufen«, murmelte sie endlich tonlos.
    Der Bartlose warf ihr einen erstaunten Seitenblick zu. »Was sagst du?«
    »Es ist meine Schuld«, Columba schluchzte laut auf. »Jetzt ist sie tot. Ich bin dem Tod begegnet, genau wie die Alte gesagt hat. O mein Gott, verzeih mir. Sie ist tot.« Ein Kiepenträger blieb stehen, betrachtete sie interessiert und kratzte seinen grindigen Schädel. Konnte spannend werden hier. Columba weinte hemmungslos, schrie fast. »Ich habe den Tod auf sie herabgezogen. Ich bin verflucht.« Ein Mönch wandte seinen Kopf.
    Der junge Mann zog Columba energisch mit sich fort. Sie lachte hysterisch auf. Er faßte sie hart bei den Schultern, stieß sie in eine schmale, kaum handtuchbreite Gasse und preßte ihre Schultern mit beiden Händen gegen eine Hausmauer. Eine harte, erbarmungslose Geste. Sein Gesicht war so dicht an ihrem, daß keine Feder dazwischen Platz gefunden hätte. Columba erwachte aus ihrer Raserei, sah, daß die Gasse menschenleer war, sah seine funkelnden Augen. War das Zorn oder der Glanz der Gier? Sein Mund berührte beinahe den ihren, sie spürte die seidige Haut seiner Lippen. Also doch! Sie hob in Panik die Fäuste, bereit sich zu wehren.
    »Wage es nicht«, stieß sie hervor. Ihr Atem mischte sich mit seinem.
    Der Glattrasierte musterte sie eindringlich, seine Augen bohrten sich in ihr Gesicht, als wolle er ein Geheimnis ergründen. »So gefällst du mir«, murmelte er kalt.
    »Wenn du mich anrührst«, keifte Columba, »dann ...« Sie wußte nicht weiter. Der Kerl ließ sie so plötzlich los, wie er sie gepackt hatte.
    »Überschätze deine Reize nicht. Ich wollte nur verhindern, daß du uns mit deinem Geschrei ins Unglück stürzt. Kein Wort mehr von Tod und Mord, hörst du! Kein Wort von der Alten Mauer, verflucht. Es war schwer genug, dich von dort wegzubekommen.« Stille, dann Schluchzen. Mit dem Rücken zur Wand sank Columba in den Schmutz.
    »Du verstehst nicht. Wäre ich nicht gewesen, wäre Tringin noch unten am Rhein, nicht tot«, sagte sie halb kläglich, halb trotzig, »alles ist meine Schuld.«
    »Deine Schuld? Was bildest du dir nur ein.« Abscheu färbte seine Augen dunkel. »Du willst schuld daran sein, daß das Jahrhundert im Blut ertrinkt? Schuld an der Ketzerhatz? Du willst schuld daran sein, daß diese neugläubigen Toren aus einem verfaulten in einen lecken Kahn springen und einem ganz neuen Wahn verfallen, den sie den wahren Glauben nennen? Dafür brennen, dafür die lächerlichsten Tode sterben?« Er brach ab, sein Gesicht verriet leisen Ekel und wirkte älter, als er an Jahren zählte. Müde fuhr er fort: »All dieses müßige Gezänk um den rechten Glauben. Das Leid der Welt liegt viel tiefer, aber du weißt nichts von alldem.«
    Columba erstarrte verwirrt. Sie schluckte. Was sollte dieser Ausbruch, dieses weinerliche Geschwätz? Was wollte dieser aufbrausende Kerl nur von ihr, dieser Geck in seiner Paradeuniform, dieser Narr mit seinem albernen kastilischen Akzent und seinem »Perdón«. Heller Zorn löschte jede andere Regung in ihr aus: »Du bist ein Betrüger, ein Blender, ein Schwätzer«, stieß sie aufgebracht hervor. Langsam schob Columba sich an der Mauer wieder nach oben. »Was willst du von mir?«
    Der falsche Spanier hatte

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