Die Visionen der Seidenweberin (German Edition)
Geld besäßet. Was könntet Ihr nicht allein mit hundert Dukaten ausrichten.«
»Hundert Dukaten – was für eine herrliche Summe, vor allem wenn es sich um echte handelt, nicht die mit den geschabten Ecken, von denen die kleinen Münzbetrüger bereits ihr Scherflein abgeschliffen haben.«
Der Preis war ausgehandelt, van Geldern nickte nur bedeutsam. Der Richter verstand. »Wunderbare Träumereien, die wir hier teilen, van Geldern. Statt dessen muß ich mich mit einer wie dieser Begine herumschlagen.«
»Einer Begine?«
»Gewiß, diese Schaffherin Anna, die am Morgen, im Schutz der Dämmerung, was ihre Gesinnung deutlich entlarvt, herkam, um Anzeige zu erstatten.«
Schluß mit dem Komödienspiel, Schluß mit der blödsinnigen Zeremonie.
»Wen klagte sie an?« forderte van Geldern seine teuer bezahlte Ware ein.
»Ihr werdet es nicht glauben, so lächerlich ist es. Ach hätte ich nur diese hundert Dukaten, von denen Ihr eben spracht, dann könnte ich mich mit ganz anderen Rabauken und Halunken befassen.«
»Sie sind auf dem Weg zu Euch, sobald ich wieder in meinem Kontor sitze. In zwei Stunden habt Ihr Muße und Zeit genug, um Euch ganz auf die Ketzer zu werfen, diesen Abschaum, diese ekle Hefe der Gottlosen.«
Der Gewaltrichter mimte leidende Dankbarkeit. »Wie recht Ihr habt. Ihnen sollte mein gerechter Zorn gelten und nicht einer so edlen Frau, einer so hervorragenden Kölner Bürgerin, die gewiß nichts mit dem Tode Katharinas zu schaffen haben kann.«
»Eine Frau?«
»Gewiß. Diese Anna klagte Eure Schwägerin an, Rebecca.«
Van Geldern fuhr auf, seine Hand suchte nach Halt und griff nach der Kante des groben Tischs, der zwischen ihnen stand.
»Rebecca eine Mörderin?«
»Weit schlimmer noch. Dieses Weib Anna behauptet, Satan selbst habe Rebecca bei dem Anschlag die Hand geführt. Eine Teufelsbuhle, Ketzerin und Hexe sei sie, im Gewand einer Heiligen. Denkt nur, was eine solche Anklage bedeuten kann.«
»Einfach genug«, sagte kalt der Kaufmann, »es wäre ihr Tod.«
»Sprecht nicht davon.« Der Gewaltrichter spielte die Komödie mit gut gemimtem Entsetzen zu Ende und schloß ganz tragisch: »Sie wäre fürwahr verloren, und mit ihr der ganze Konvent, ihr ganzes herrliches Werk und all ihr Vermögen. Freilich, die Hälfte fiele der Anklägerin zu, die andere Kirche und Rat. Die Gesetze der Inquisition sind von grausamer Unbestechlichkeit, nicht wahr?«
Van Geldern ließ den Mann mit der Frage allein.
5
F einste Brüsseler Spitze rieselte aus ihrem Ärmel. Juliana tauchte die Finger der Rechten ins Weihwasser und schlug hastig ihr Kreuz. Ein nachlässiger Knicks vor der Madonna in der Seitenkapelle, dann schlüpfte sie in den hölzernen Beichtstuhl. Die Seide ihres Kleides raschelte, während Melina die Holztür hinter ihr schloß und stumm zum Gebet in einer nahen Bank Platz nahm. Zuckende Kerzenflammen malten Schatten auf die bemalten Kirchenwände, die Gesichter der Heiligen waren voll Schmerz.
Juliana atmete hörbar. Durch das vergitterte Fenster sah sie schemenhaft das Gesicht des Diakons. Sein Predigergewand roch nach Wollfett und Weihrauch. Gierig sog sie den halb tierischen, halb heiligen Duft ein.
»Nun, meine Tochter. Du bist gekommen, um zu beichten. Nenne mir deine Sünden und verschweige nichts.«
»Du sahst, was ich tat.«
»Ich verstehe dich nicht.«
»Du sahst Katharina, du sahst ihren Leib, noch warm, am frühen Morgen, als du ihr die letzten Sakramente gespendet hast. Sie lag in ihrem Blut.«
»Ich sah eine Tote, die friedlich starb.«
»Nachdem Rebecca sie wusch und bekleidete. Alles List und Verstellung. Ich schwöre, daß ich das Opfer darbrachte, um das du mich gebeten hast.«
»Du bist voll Hochmut, wo du Demut zeigen solltest. Dein Herz ist voll Hoffart und Weltlust. Und du lügst im Angesicht Gottes.«
Juliana legte ihre weißen Finger in das Gitter des Fensters, der Diakon wich zurück.
»Du klagst mich der Lüge an? Du, für den ich log, seit ich ihn kenne?«
»Nur vor einer Welt, die nicht versteht und voll von teuflischer Heuchelei ist. Wo ich bin, darf nur Wahrheit sein, denn ich bin der Mittler Gottes.«
»Ich belüge dich nicht. Es ist Zeit, daß du die Tiefe meiner Liebe fühlst. Keine ist würdiger, deine Gefährtin zu sein. Ich habe geopfert, was ich liebte, das schwöre ich vor der Gemeinschaft der Engel.«
Noch weiter wich der Diakon zurück, ein Hauch von Kälte fuhr Juliana an.
»Du lügst doppelt, denn die Frau, die starb, liebtest du nicht.
Weitere Kostenlose Bücher